Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)
Schweigen gebracht werden. Sie hat überlebt, aber sie ist so verängstigt, dass sie schweigen wird. Vielleicht trifft ihre Behauptung, sie könne sich an nichts erinnern, aber auch zu.«
Tommy sah sie durchdringend an und trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. Seine Müdigkeit war wie weggeblasen.
»Könnte Göran etwas ausgeplaudert haben? Er sollte ja das Phantombild anfertigen und hatte die Informationen über Ekholm erhalten«, meinte er.
»Nein. Er wusste weder, um welchen Fall es sich handelt, noch, wo die Zeugin zu erreichen war. Die Mitteilung enthielt nur den Termin und Ritvas Namen. Sonst nichts.«
Tommy dachte eine Weile nach.
»Ich glaube, dass du recht haben könntest, was den Informanten angeht. Aber ich habe keine Ahnung, wer das sein könnte. Und du?«, fragte er nachdenklich.
»Nein. Aber wir müssen davon ausgehen, dass es jeder im Präsidium sein könnte. Wir lassen uns nichts anmerken, müssen aber besonders aufmerksam sein. Früher oder später wird er sich verraten.«
Tommy sah Irene erneut nachdenklich an.
»Wie bist du auf die Idee gekommen, bei mir zu wohnen?«, fragte er schließlich.
Irene lächelte schwach.
»Ich glaube, niemand im Dezernat weiß, wie gut wir uns eigentlich kennen. Dass wir seit der Polizeischule gut befreundet sind. Ja, seit deiner Scheidung ist der Kontakt nicht mehr so eng. Das hat mich, ehrlich gesagt, betrübt, aber … die Dinge ändern sich.«
Letzteres sagte sie verlegen. Sie wusste nicht recht, wie angebracht es wohl war, ihn daran zu erinnern, wie sehr sie sich entfremdet hatten. Immerhin waren seit der Scheidung einige Jahre vergangen, und sie hätten ihre enge Freundschaft in der Zwischenzeit durchaus wieder aufnehmen können, aber das war nicht passiert. Auch Krister hatte sich um Tommy bemüht, aber der hatte ausweichend reagiert. Weder Krister noch Irene wussten, warum. War es deshalb vielleicht zu viel verlangt, dass er ihr jetzt beistand? Der Gedanke beunruhigte sie.
»Ich verstehe dich. Aber wo sind Krister und die Mädchen jetzt?«, fragte Tommy.
»Keine Ahnung! In diesem Punkt waren wir uns einig. Wenn der Gothia MC mich zu fassen kriegt, werden sie von mir nichts erfahren.«
Anschließend erzählte sie, wie sie am Vorabend ihren Plan gefasst hatten. Als sie sich einig waren, ging es sofort los. Die Mädchen und Felipe fuhren zu sich nach Hause, wo sie Kleidung für mindestens eine Woche packten. Krister suchte auch noch andere Dinge zusammen, die bei einer Flucht nützlich werden konnten. Denn dies war eine Flucht, darin waren sich alle einig.
Um vier Uhr holten Irene und Krister die jungen Leute mit einem Mietwagen ab, einem fast neuen weißen Mégane. Natürlich war Egon auch dabei. Das Auto hatte Krister am Spätnachmittag bei Avis geholt. Es stand nur wenige Stunden auf dem Parkplatz vor ihrem Haus in der Doktor Bex Gatan. Irene war überzeugt, dass der Gothia MC es nicht mit ihnen in Verbindung bringen konnte. Hinten am Auto hatte Irene eine Fahrradhalterung befestigt und ihr Fahrrad da rangehängt. Sie fuhren zu einem Geldautomaten am Södra Vägen und hoben alle fünf mit ihren Karten so viel Geld wie möglich ab. Während der folgenden Woche war Cash angesagt. Danach füllten sie den Tank an der Shelltankstelle beim Ullevi-Stadion bis zum Rand. Anschließend schlugen sie den direkten Weg nach Jonsered ein und setzten Irene mit Fahrrad und Gepäck dort ab. Sie umarmte alle zum Abschied und vergoss auch ein paar Tränen, hatte aber gleichzeitig das Gefühl, das einzig Richtige zu tun. Die letzten hundert Meter zu Tommys Reihenhaus schob sie das Rad. Sie wollte unbeobachtet von den Nachbarn eintreffen. Das Fahrrad parkte sie beim Gästeparkplatz hinter ein paar Büschen, damit die Nachbarschaft keinen Grund hatte, Mutmaßungen über eventuellen Damenbesuch anzustellen.
»Es sind gut und gerne zehn Kilometer mit dem Fahrrad von hier zum Präsidium«, meinte Tommy.
»Du weißt, dass ich fit bin.«
Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln und fuhr dann fort:
»Ein Hotel kommt nicht in Frage, da finden sie mich sofort. Niemand darf wissen, dass ich bei dir wohne. Wir erscheinen nicht gleichzeitig im Dezernat und machen auch nicht gleichzeitig Feierabend. Ich fahre nicht in deinem Auto mit, und wir unterhalten uns auch nicht über Dinge, die meinen Aufenthalt hier betreffen, beispielsweise, was wir frühstücken sollen und so. Ich nehme mal das Fahrrad und mal den Bus, wenn ich sicher bin, dass mich niemand verfolgt.«
»Ich
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