Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)
dabei, die Kaffeemaschine einzuschalten und Tassen auf den Tisch zu stellen.
»Es tut mir leid, dass ich hier einfach so hereinplatze, aber es war absolut notwendig, dass du nicht vorher erfuhrst, dass ich hierherkommen würde«, sagte sie, noch ehe er eine Frage stellen konnte.
»Hast du mit Krister gestritten?«
»Meinst du, dass ich zu dir komme, wenn bei Krister und mir was im Argen ist?«
»Nein. Vermutlich nicht. Aber entschuldigst du mich, dann stelle ich mich einen Augenblick unter die Dusche, um wach zu werden? Mir ist klar, dass ich auf den weiteren Schönheitsschlaf verzichten muss.«
Als Tommy frisch geduscht und frisch rasiert aus dem Obergeschoss zurückkehrte, duftete es in der Küche nach Kaffee und Toast. Brot, Wurst und Käse hatte Irene mitgebracht.
Erst nach einer zweiten Tasse Kaffee und einem zweiten belegten Brot sagte sie:
»Jetzt spiele ich dir die Aufnahme der Vernehmung von Krister gestern Abend vor.«
Sie ging in die Diele und nahm das kleine Tonbandgerät aus ihrer Jackentasche. Als sie zurück war, schaltete sie es ohne weiteren Kommentar ein. Schweigend saßen sie an Tommys rustikalem Küchentisch aus Kiefernholz und lauschten, während die Vorstadtsiedlung langsam erwachte.
Nachdem Irene das Tonbandgerät abgestellt hatte, schwiegen sie lange. Der Kaffee in den halbvollen Tassen war kalt geworden. Schließlich sagte Irene:
»Heute soll Krister also dem Gothia MC 400 000 Kronen aushändigen. Wenn er das Geld nicht aufbringt, muss er die Banditen zu Teilhabern des Glady’s machen. Beide Alternativen sind undenkbar.«
Sie stand auf und nahm die Kaffeetassen mit. Den kalten Kaffee kippte sie in die Spüle und goss dann aus der Kanne nach. Sie hielt die Tassen vorsichtig in der Hand, um nichts zu verschütten, als sie an den Tisch zurückkehrte. Tommy schwieg immer noch. Er sah sie unverwandt an.
»Wie du gehört hast, wird das Leben meiner Familie bedroht. Wir sollen also unser Leben im Schutz dieser Schatten verbringen. Na danke, da fühlt man sich sicher supergeborgen! Wir haben gestern Abend beratschlagt und uns auf einen Plan geeinigt. Der Gothia MC hat keinen Zweifel daran gelassen, dass sie unsere Adresse und die der Mädchen kennen. Jetzt sind Krister, die Mädchen und Felipe untergetaucht, und ich wohne bis auf weiteres bei dir.«
»Bitte? Warum das?«, fragte Tommy überrumpelt.
»Warum? Weil wir, also die Polizei, die Sicherheit meiner Familie nicht garantieren können!«
»Aber das können wir doch …«, begann Tommy, aber Irene fiel ihm ins Wort.
»Nein. Das weißt du genauso gut wie ich. Wir sind lausig, wenn es um Personenschutz geht. Dafür fehlen uns sowohl die Zeit als auch die Mittel. Es dauert, bis man eine neue Identität bekommt, und das wäre auch gar keine Alternative. Wir wollen unser Leben zurück! Ohne Schatten und deren sogenannten Schutz!«
Tommy begnügte sich damit zu nicken.
»Außerdem haben wir, und jetzt meine ich wieder die Polizei, ein großes Problem. Wir haben darüber bereits gesprochen. Es gibt eine undichte Stelle. Jemand berichtet an den Gothia MC «, fuhr sie fort.
»Jemand aus unserem Dezernat?«
Tommy runzelte die Stirn. Irene nickte und sah ihn ernst an.
»Da bin ich sicher. Diese Sache mit Ritva Ekholm, nur ein paar Leute aus unserem Dezernat und zwei oder drei vom Dezernat für organisiertes Verbrechen wussten, dass sie uns angerufen hatte. Die Gruppe der Leute, die Ekholms Namen und Adresse kannte, ist also begrenzt. Es handelt sich um maximal zehn Kollegen. Sonst wusste niemand davon.«
»Warte! Es könnte auch so gewesen sein, dass die Täter Ritva Ekholm und …«
»Daran glaube ich nicht. Ritva ging über die Straße und schaute zufällig in ihre Richtung. Sie sah einen Mann auf dem Bürgersteig und eine tätowierte Hand, die durch ein Schiebedach winkte. Vielleicht sah einer der Typen sie ja auch. Aber woher hätten sie wis sen sollen, dass sie im Haus gegenüber wohnte? Ihre Haustüre liegt nicht einmal in der Lorensbergsgatan, sondern am Södra Vägen. Sie konnten sie also keinesfalls aus ihrem Haus kommen sehen.«
Irene sah Tommy an. Ihr Chef nickte und bedeutete ihr mit der Hand, dass sie fortfahren sollte. Nachdem sie ihre Kaffeetasse in einem Zug geleert hatte, fuhr sie fort:
»Wir erfuhren von Ritvas Beobachtung am Mittwochvormittag. Ich traf sie zwischen fünf und sechs Uhr. Nur unser kleiner Kreis wusste also von der Zeugin. Trotzdem erwischten die Täter sie bereits am selben Abend. Sie sollte zum
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