Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)
wollten ja mit den Mädchen und Felipe am Samstag feiern … ich wollte die Stimmung nicht zerstören. Vielleicht wollte ich das Ganze auch nicht richtig wahrhaben. Es kam mir irgendwie unwirklich vor … als ginge es gar nicht um mich.«
Seine Stimme zitterte, und Irene sah, dass wieder Tränen in seinen Augen standen. Sie wollte nicht, dass er zusammenbrach, ehe er ihr alles erzählt hatte. Und auch nicht danach.
»Haben sie sich gemeldet, bevor die Bombe explodierte?«, fragte sie rasch.
»Nein. Sie ließen erst am Tag darauf wieder von sich hören. Sie riefen mich auf meinem Handy an. Ich erkannte die Stimme von dem Dicken wieder. Er sagte, nächstes Mal sei es ernst und dann würde niemand überleben. Nur ich könnte euch noch … retten. Wenn ich bezahlte.«
Er räusperte sich und wischte sich die Tränen von den Wangen. Nachdem er ein paarmal tief Luft geholt hatte, sagte er:
»Ich habe wiederholt, dass ihnen Janne das Geld schuldig sei und nicht ich. Da sagte er, dass Janne nicht mehr zahlen könne. Ich müsse an meine eigene Sicherheit denken. An den Schutz meiner Familie und meiner selbst. Die Schatten würden mich schützen, sagte er. Mir war klar, dass er mit Schatten seinen Kumpan und sich selbst meinte. Offenbar sollte ich irgendwie dafür zahlen. Wenn ich das nicht täte, dann …«
Er unterbrach sich und schluchzte auf. Mit großer Selbstüberwindung sagte er:
»Wenn ich ihnen nicht geben würde, was sie haben wollten, dann würde ich meinen Freund Janne in der Hölle wiedersehen.«
»In der Hölle … hat er das genau so gesagt?«
»Ja.«
Der Gangster wusste also, dass Jan-Erik Månsson bereits tot war, dachte Irene.
»Und du hast bis morgen Zeit, das Geld aufzutreiben?«
»Ja.«
Irene bat Krister, die beiden Männer zu beschreiben, die ihn bedroht hatten. Die Beschreibung passte auf Andreas Brännström und seinen Kumpan von den Bildern der Überwachungskamera.
»Also der Gothia MC . Taff genug, um in Weste zu erscheinen«, sagte sie.
»Ja. Im Übrigen waren sie schwarz gekleidet. Besser gesagt, der Dicke mit dem Pferdeschwanz trug löchrige Bluejeans, glaube ich.«
Irene stellte das Tonband ab. Ihr Herz schlug rasch, aber sie wusste, was zu tun war. Sie nahm seine Hände und küsste sie. So vorsichtig, wie sie nur konnte, sagte sie:
»Liebling, du kannst das Glady’s morgen nicht wie dereröffnen. Nein, warte mit deinen Protesten. Wir müssen in erster Linie an die Sicherheit der Angestellten und der Gäste denken. Es besteht ein großes Risiko, dass morgen oder in den nächsten Tagen wieder irgendein Anschlag verübt wird. Du hast das Geld nicht. Und bekommen sie kein Geld, dann wissen wir, was geschieht.«
Krister schüttelte entmutigt den Kopf. Irene beugte sich zu ihm vor und sagte:
»Du musst untertauchen. Dich verstecken. Die Mädchen auch.«
»Aber … das geht nicht! Wie lange …«
Irene unterbrach seine Proteste. Sie konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten und sagte mit zitternder Stimme:
»Janne ist tot. Ermordet. Jetzt erpressen sie dich. Stell dir vor, wenn sie dich töten! Außerdem bedrohen sie unsere ganze Familie, und sie haben einen Bombenanschlag auf dich verübt. Die Lage ist wirklich ungeheuer ernst!«
Energisch trocknete sie ihre Tränen und stand auf. Sie holte ihr Handy und rief Jenny und Katarina an.
Den Zwillingen war klar, dass es sehr ernst war, als ihre Mutter anrief und sie bat, so schnell wie möglich zu kommen. Als Jenny bei ihren Eltern auftauchte, waren Katarina und Felipe bereits eine Weile dort, ohne erfahren zu haben, worum es ging. Irene wollte, dass alle anwesend waren, wenn sie ihren Plan unterbreitete.
Zwei Kannen Tee und diverse belegte Brote später hatten sie sich gemeinsam das Tonband angehört. Anschließend waren sie sich einig. Sie mussten spurlos verschwinden.
E s war Punkt fünf Uhr morgens, als Irene lange und beharrlich an Kommissar Tommy Perssons Tür klin gelte. Verschlafen blinzelnd erschien er in einem verwaschenen blauen Frotteebademantel in der Tür seines Reihenhauses in Jonsered. Mit Bartstoppeln und strubbeligen Haaren sah er nicht sonderlich fit aus. Ohne Umschweife sagte Irene:
»Hallo. Kann ich reinkommen?«
»Klar … klar«, sagte Tommy und sah sofern möglich noch verwirrter aus.
Er trat beiseite und ließ Irene ins Haus. Sie sah sein Erstaunen, als er ihre kleine Reisetasche und zwei große Papiertüten mit Bettwäsche bemerkte. Er schloss die Türe und folgte Irene in die Küche. Sie war bereits
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