Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)
Klebestreifen verschlossen worden.
»Die Päckchen enthalten Koks. So verpackt kommt es aus Südamerika. Ich habe derartige Päckchen bereits bei einer früheren Beschlagnahme gesehen. Bevor Kokain nach Europa kommt, wird es auf Teneriffa oder in einem Land an der Westküste Afrikas gestreckt. Anschließend sehen die Pakete anders aus«, sagte Rickard Mellkvist kundig.
Matti nahm behutsam das Paket mit dem Einschnitt in die Hand und löste den Klebestreifen. Ein paar Körner des weißen Pulvers rieselten auf seine Handfläche. Er leckte sie mit der Zungenspitze auf, schien dann lange nachzudenken und sagte:
»Kokain. Wahnsinnig stark. Ungefähr 250 Gramm, noch nicht zum Verkauf gestreckt. In dieser reinen Form taucht es nur selten in Schweden auf.«
»Um wie viel wird es gestreckt, ehe es auf den Markt kommt?«, fragte Irene.
»Um das fünf- bis zehnfache. Je nachdem, ob es vorher unterwegs schon einmal versetzt worden ist. Der Inhalt eines solchen Pakets entspricht einem Endverbraucherwert von mindestens zwei Millionen Kronen«, meinte er.
Wenn das stimmte, dann hatten sie gerade Kokain im Wert von 16 Millionen Kronen in einem Blechkasten in Kazans Zimmer gefunden. Wie kam es, dass ihm Danni Mara eine derart große Menge Drogen anvertraut hatte? Kazan konnte wohl kaum sein zweiter Mann gewesen sein. Oder war das ein besonderer Schachzug? Normalerweise wäre die Polizei nie auf die Idee gekommen, dass Kazan so viel reines Kokain im Schrank seines Jungenzimmers aufbewahrte.
Rickard Mellkvist wirkte zufrieden und gab Frode einen Hundekeks mit Lebergeschmack. Der Hund wedelte glücklich mit dem Schwanz. Nach diesem erfolgreich erledigten Auftrag verabschiedeten sich die beiden und gingen zu ihrem Auto.
Irene rief Tommy an und berichtete von ihrem Fund. Er war zufrieden und versprach, sogleich Verstärkung vom Rauschgiftdezernat zu schicken. Außerdem kündigte er an, auch den BMW umgehend zum Präsidium transportieren zu lassen. Zudem wollte er Stefan Bratt informieren. Dies hinauszuzögern war bei einen Drogenfund dieses Ausmaßes unmöglich.
»Ich fahre zum Östra Sjukhuset und versuche, Kazan zu vernehmen«, sagte Irene.
»Tu das«, erwiderte Tommy.
Während sie auf die Kollegen vom Rauschgiftdezernat warteten, durchsuchten sie das Zimmer und fanden eine kleinkalibrige Pistole, die mit Klebeband an der Unterseite des Bettes befestigt worden war. Matti machte ein paar Fotos und entfernte dann äußerst vorsichtig das Klebeband. Als er die elegante Pistole in der Hand hielt, strahlte er.
»Eine Morini CM Kaliber 22 RF . Alle Achtung! Wirklich eine kleine Schönheit!«
»Kennst du dich auch mit Handfeuerwaffen aus?«, fragte Irene erstaunt.
»Ich bin seit Jahren in einem Schützenverein aktiv. Das hier ist eine hervorragende Waffe. Aber selten. Eignet sich nicht wirklich als Mordwaffe wegen des kleinen Kalibers. Es handelt sich eher um eine Waffe für Sportschützen.«
»Vielleicht gestohlen?«
»Vermutlich. Erstklassige Qualität. Eignet sich für eine Person mit kleinen Händen. Sechs Patronen im Magazin.«
War es denkbar, dass Sirwe die Pistole nicht entdeckt hatte, als sie das Zimmer ihres Sohnes geputzt hatte? Wohl kaum. Sirwe war sehr ordentlich. Ausgeschlossen, dass ihr die Waffe unter dem Bett ihres Sohnes entgangen war.
Wie tief steckten die Eltern in der Sache drin? Vermutlich war ihnen klar, dass Kazans Geld kriminellen Aktivitäten entsprang, sie verschlossen ihre Augen davor. Hatten kapituliert. So ist es immer, dachte Irene.
Nach einer knappen halben Stunde tauchten die Kollegen vom Rauschgiftdezernat auf. Sie waren erstaunt, dass Irene einen Spürhund vom Zoll und nicht von ihnen angefordert hatte, gaben sich aber mit ihrer Erklärung zufrieden, dies sei die schnellste Lösung gewesen.
Irene erwähnte den BMW , der auf dem Parkplatz stand, wies ihre Kollegen aber gleichzeitig an, diesen nicht anzufassen. Er solle ins Präsidium geschafft werden, da sich in dem Fahrzeug eventuell Spuren vom Mord an Patrik Karlsson befanden. Er sollte erst in der Tiefgarage der Spurensicherung durchsucht werden. Matti würde den Wagen dort genauestens unter die Lupe nehmen.
Sirwe saß mit angezogenen Beinen auf der Treppe zum Obergeschoss. Tränen fielen auf die Haare des kleinen Jungen, den sie fest an ihre Brust drückte. Dieser betrachtete die Polizisten mit trockenen Augen und glühendem Hass. Es war Kazans Halbbruder Emre.
»Kazan hat nichts gemacht! Ihr wollt ihm doch nur was anhängen!«,
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