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Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)

Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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Irene musste ihn dazu bringen, sie wieder anzusehen.
    »Wir haben das Rauschgift gefunden, das Sie im Schrank versteckt hatten«, sagte sie ruhig.
    Es war zu sehen, wie sein Körper unter der Decke erstarrte. Eine ganze Weile lag er vollkommen reglos da, dann drehte er seinen Kopf langsam wieder in ihre Richtung.
    »Haben Sie … Nein, Scheiße, Scheiße! Ich sterbe … Scheiße!«
    Das letzte Wort stieß er nur so hervor, und es entsprang ganz offensichtlich größter Angst. Dr. Enkvist begann die Lippen zu bewegen, und Irene befürchtete, dass er die Vernehmung abbrechen würde, ehe sie überhaupt begonnen hatte.
    Da schrillte plötzlich ein Alarm auf der Station.
    Jetzt erstarrte der Arzt. Mit einem unschlüssigen Blick auf den Patienten sagte er:
    »Ich muss schnell weg.«
    »Natürlich. Ich bleibe hier«, erwiderte Irene rasch.
    Enkvist rannte bereits aus dem Zimmer. Mit einem leisen Zischen schloss sich die Tür hinter ihm. Saved by the bell, dachte Irene. Oder dem Alarm, berichtigte sie sich.
    »Tja, Kazan. Wir haben also alles gefunden. Acht große Pakete Kokain. Alles!«
    Jetzt war er mit seiner Aufmerksamkeit ganz bei ihr. Mit aufgerissenen Augen starrte er sie an.
    »Ich bin … erledigt. Scheiße. Die … bringen mich um!«, brachte er über die Lippen.
    Irene beugte sich über ihn und versuchte mit ruhiger Stimme zu sprechen.
    »Wer bringt Sie um?«
    Er presste die Lippen zusammen und schien nichts mehr sagen zu wollen. Irene konnte fast seine Gedanken sehen, die wie verschreckte Vögel in seinem verwirrten Hirn herumflatterten. Ehe sie ihre Frage noch umformulieren konnte, packte er sie am Handgelenk, allerdings nicht sehr fest. Sie spürte, dass seine Hand verschwitzt war.
    »Ich brauche … verdammt nochmal … eine geschützte Identität!«, sagte er atemlos.
    »Warum?«
    »Ich muss … die bringen mich um.«
    Die letzten Worte flüsterte er und ließ los.
    »Sie können nicht einfach eine geschützte Identität erhalten, bloß weil Sie sich bedroht fühlen. Sie müssen schon auspacken. Sonst haben Sie keine Chance«, sagte Irene.
    In seinen dunklen Augen funkelten Tränen. Seine Augenfarbe erinnerte an dunklen Bernstein.
    »Ich weiß … was. Verdammt … große Sache!«, sagte er mit plötzlichem Eifer.
    »Groß genug, um eine geschützte Identität zu rechtfertigen?«
    Er nickte und ergriff ihre Hand. Es wirkte, als versuche er, sie näher an sich heranzuziehen, damit sie auch alle seine Worte hören konnte.
    »Ein Treffen … am Donnerstag«, flüsterte er.
    »Kommenden Donnerstag? Am Fünfundzwanzigsten?«
    Er nickte erneut, und Irene sah, dass der Schrecken in seinen Augen auf einmal einem übermütigen Funkeln wich. Es hatte fast den Anschein, als lächele er.
    »Am Fünfundzwanzigsten … da knallt’s!«
    Sie hatte seinen Gesichtsausdruck richtig gedeutet. Er lächelte wirklich. Und waren seine Worte nicht der Refrain eines schon einige Jahre zurückliegenden Magnus-Uggla-Hits? Der davon handelte, dass es am Fünfundzwanzigsten nach Erhalt des Lohns so richtig knallte? Und dass man dann der King in der Kneipe war. Aber Kazan spielte doch wohl kaum auf diesen alten Schlager an. Oder doch?
    »Es knallt? Wie meinen Sie das?«, fragte Irene.
    Er lächelte immer noch, als er hervorstieß:
    »Treffen … Restaurant … Pravda.«
    »Wer trifft sich dort?«
    Kazan schluckte einige Male und deutete dann auf das Wasserglas, das auf dem Nachttisch stand. Irene ging um das Bett herum und schob ihm den Strohhalm zwischen die trockenen Lippen. Er trank durstig das lauwarme Wasser. Dann ließ er seinen Kopf wieder auf das Kissen sinken und antwortete:
    »Unsere Bosse … und ihre.«
    »Meinen Sie den Gothia MC und die Gangster Lions?«
    »Ja.«
    »Worüber wollen die reden?«
    »Den Krieg. Er stört … das Geschäft.«
    Irene hörte rasche Schritte und erregte Stimmen auf dem Korridor. Offenbar ein Notfall. Sie merkte, dass die Zeit knapp wurde. Bald würde der ängstlich-übervorsichtige Dr. Enkvist zurückkehren. Sie musste Kazan dazu bringen, über die Drogen zu sprechen, die sie gefunden hatten, und über den Mord an Patrik Karlsson. Es war an der Zeit, zum Thema zu kommen.
    »Der Krieg begann, als Fendi und Sie Patrik Karlsson anzündeten, nicht wahr?«
    Der Glanz seiner Augen erlosch, und er presste wieder die Lippen zusammen.
    »Sie müssen die Wahrheit sagen. Sonst können Sie die geschützte Identität vergessen«, fuhr Irene fort.
    Eigentlich hatte sie keinerlei Befugnis, ihm eine geschützte

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