Im Sog der Angst
viel seriöser anhört, wenn die Überweisung von einem Arzt kommt.«
»Kann sein«, erwiderte er. »Aber man sollte doch annehmen, dass er nach der Ermordung seines Sohnes auf solche Bedenken keine Rücksicht mehr nimmt.«
»Ein anderer Punkt ist«, sagte ich, »dass Sonny Gavins Vater direkt an Mary Lou verwiesen hat, dass Gavin aber zunächst bei Gull gelandet ist. Dann wurde er an Mary Lou weitergereicht. Sonny ist vielleicht irgendwie darin verwickelt, aber ich kann den Gedanken nicht verdrängen, dass Gavins Tod mit seiner Therapie zusammenhängt. Das Gleiche gilt für Flora Newsome. Es geht schließlich um zwei Patienten und ihre Therapeutin, und alle drei sind tot.«
»Und zwei davon aufgespießt«, sagte er. »Von jemandem, den alle kannten. Oder der sie kannte. Aber vielleicht hat es nichts mit der Behandlung zu tun. Ein Krimineller, den Sonny rübergeschickt hat, um das Gebäude zu reinigen, hat sie gesehen und beschlossen, mit ihnen zu spielen. Ein richtiger Psychopath, der sich mit dem System auskennt und es verstanden hat, sich als ungefährlichen Bewährungskandidaten darzustellen. Ich werde Sonny um eine Liste seiner Angestellten aus den Übergangshäusern bitten und nachsehen, wer sich da anbietet. In der Zwischenzeit fahren wir noch mal bei den Quicks vorbei. Vielleicht sind Jerry und Sheila ja wieder zurück von ihrem Ausflug, und ich kann einen Blick in Gavins Chaos werfen.«
Ich blieb den ganzen Weg bis zum Camden auf dem Gregory Drive. Als wir vor dem Haus der Quicks anhielten, sagte Milo: »Genauso wie beim letzten Mal: Ihr Wagen steht da, seiner nicht. Bleib ruhig sitzen, das wird wahrscheinlich nicht lange dauern.«
Er sprang aus dem Seville, trabte zur Haustür, klingelte. Klopfte mit dem Fuß auf den Boden. Klingelte noch einmal. Schüttelte den Kopf und wollte gerade gehen, als die Tür aufging.
Ich erhaschte einen Blick auf Sheila Quicks verhärmtes Gesicht.
Milo redete mit ihr. Drehte sich zu mir um. Formte mit den Lippen: »Komm rein.«
»Wir waren im Haus meiner Schwester in Westlake Village«, sagte sie. Ihre Haare waren mit einem Turban aus einem blauen Handtuch hochgebunden, und sie trug einen gesteppten beigefarbenen Morgenmantel mit einem Muster aus Schmetterlingen und Klematisranken. Auf dem Morgenmantel waren Flecken. Ihr Gesicht wirkte erschöpft und war kalkweiß, die Augen bar jeder Illusion.
»Sie und Ihr Mann?«, fragte Milo.
»Jerry wollte ein paar Tage wegkommen.« Sie sprach langsam, verschliffen, hatte Mühe, Worte zu bilden. Ich nahm zunächst an, sie hätte Beruhigungsmittel genommen, bevor ich ihren Atem roch. Jede Menge Wintergrünöl, aber nicht genug, um den Alkohol zu überdecken.
Wir drei standen in ihrem Esszimmer. Der Raum fühlte sich bedrückend an, erstickend. Wo Licht auf die Möbel traf, sah man eine Staubschicht.
»Ihr Mann wollte wegkommen«, sagte Milo.
»Von dem Stress.« Sheila Quicks Lippen verzogen sich missbilligend.
»Sie wollten nicht gehen?«, fragte ich.
»Eileen«, sagte sie. »Sie meint, ihr Haus sei das größte … dieser Paddle-Tennis-Platz, den sie da hat. Soweit es sie betrifft, warum sollte ich nicht zu ihr gehen wollen?«
Sie sah mich beinahe flehentlich an. Ich nickte.
»Jerry«, sagte sie. »Was Jerry haben will, das bekommt Jerry auch. Wissen Sie, was ich glaube?«
»Was?«
»Ich glaube, Jerry wollte mich dorthin stecken. Also steckte er mich dorthin. Und ging seiner Wege.«
»Er ist nicht bei Eileen geblieben.«
»Ich sollte glücklich sein, weil Eileen einen Swimmingpool und diesen Paddle-Tennis-Platz hat. Es ist nicht mal ein ganzer Tennisplatz, er ist nur halb so groß.« Sie ergriff meinen Ärmel. »Wir wollten einen Swimmingpool bauen, Gavin ist gern geschwommen.« Sie warf die Hände hoch. »Ich hasse Chlor. Ich bekomme einen Juckreiz davon. Warum sollte ich glücklich sein, nur weil es da einen Swimmingpool gibt? Ich wollte, dass Jerry mich zurückbringt. Schließlich hat er angerufen, und ich hab ihm gesagt , dass er mich zurückbringen soll.« Ein beduseltes Lächeln. »Und hier bin ich.«
»Wo ist Jerry?«, fragte ich.
»Arbeiten. Irgendwo.«
»Außerhalb?«
Sie nickte. »Wie ülbi… ülblich … es ist komisch.«
»Was?«
»Jerry hasst Eileen. Aber er wollte mich in ihr Haus stecken, damit er Gott weiß was … Es war nicht richtig.« Sie zählte es an ihren Fingern ab und redete in einem singenden Tonfall. »Eileen hat ihr Haus, ich habe mein Haus.«
»Sie mögen Ihr Privatleben«, sagte
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