Im Sog der Angst

Hollywood-Geschichten Wie-siedas-Leben-schrieb wäre.«
    »Erinnern Sie sich nicht an ihren Namen?«
    »Nee.«
    »Versuchen Sie’s.«
    »Es ist nicht so, als hätt ich zugehört.«
    »Versuchen Sie’s«, sagte ich.
    »Ist es wichtig?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Weil sie tot ist.«
    »Hmm.« Sie zog die Oberlippe mit dem Zeigefinger zurück und ließ sie wieder gegen die Zähne schnalzen. Wiederholte dies mehrere Male, womit sie kleine Platschlaute produzierte. Presste die Mütze zusammen und beobachtete, wie der weiche Stoff amöbenhaft pulsierend wieder seine ursprüngliche Form annahm.
    »Kayla?«, sagte ich.
    »Ich denke nach«, erwiderte sie. »Ich glaube, ich würde auf Chris tippen. Oder Christa. Irgendwas mit Chris.«
    »Und was ist mit einem Nachnamen?«
    »Nein«, sagte sie. »Eindeutig nein. Gavin hat keinen Nachnamen erwähnt. Wir wurden einander ja nicht groß vorgestellt. Gavin machte mehr auf: ›Ich brauch dich nicht, sieh mal, was ich hier hab.‹«
    »Das hat er gesagt?«
    »Nein, aber man konnte es ihm ansehen. Später kam er an unseren Tisch und sagte, wie scharf sie wäre.«
    »Wann später?«
    »Als Schlampi aufs Klo ging und ihn allein ließ. Sie war lange Zeit da drin, ich nehme an, zum Drücken - sie sah aus wie ein Junkie. Echt mager. Keine Chance, dass irgendjemand glauben konnte, sie sähe aus wie ich. Aber Gavin...«< Sie verdrehte die Augen und klopfte sich an die Stirn.
    »Sie ließ ihn allein, und er kam zu Ihnen an den Tisch.«
    »Yeah, und Ellie meint: ›Wer ist deine neue Lay-dee , Gav?‹ Und Gavin sagt: ›Christa‹ - ich glaube, es war Christa, irgendwas in der Art, vielleicht Crystal. Und Ellie meint: ›Ziemlich süß, Gav.‹ Meint es aber nicht ernst, macht ihn runter, wissen Sie? Und ich sage kein Wort, ich arbeite an meinem gedünsteten Spinat, der das schärfste Teil der Gemüseplatte ist. Dann lächelt Gavin komisch und rückt von Ellie ab, beugt sich zu mir runter und flüstert mir ins Ohr: ›Sie macht alles, Kayla. Ohne Ende.‹ Und ich meine: ›Eher ohne Ende langweilig und ohne Ende zu früh‹, aber ich denk’s mir nur, ich sag’s nicht. Weil Gavin nicht mehr normal war, es wär so gewesen, als wenn man jemanden runtermacht, der zurückgeblieben ist. Außerdem war er da auch schon wieder zu seiner Nische gegangen. Als ob es ihm egal wäre, was ich zu sagen hatte.«
    »Was können Sie mir sonst noch über Christa erzählen?«, fragte ich.
    »Vielleicht war es Crystal«, sagte sie. »Ich glaube, Crystal ist eher richtig.«
    »Sie hat kein Wort zu Ihnen gesagt?«
    »Nein, das hat Gavin getan. Eigentlich hat er mehr gesagt, als ich Ihnen eben erzählt habe.«
    Ich wartete.
    »Es war gemein, ich will mich wirklich nicht daran erinnern.«
    »Es ist wichtig, Kayla.«
    Sie seufzte. »Okay, okay. Als er sich runterbeugte und mir ins Ohr flüsterte, wie toll sie wäre, hat er auch gesagt: ›Sie ist Tänzerin, Kayla. Sie hat alle Bewegungen drauf.‹ Als ob ich sie nicht draufhätte. Sie wissen, was das wirklich bedeutet, stimmt’s?«
    »Was?«, fragte ich.
    »Wachen Sie auf«, sagte sie. »Tänzerin heißt Stripperin. Die nennen sich alle Tänzerinnen. Sie war Schlampenaufstrich auf einem Croissant.«
    »Kennen Sie irgendwelche Stripperinnen?«
    »Ich? Nie im Leben. Aber sie hatte diese … die Art, wie sie dastand, die Art, wie sie … als wenn sie sagen würde, schau dir meinen Körper an, es ist der tollste überhaupt, ich liebe meinen Körper, für einen gemischten Salat zieh ich meine Klamotten aus.«
    »Eine lockere Moral«, sagte ich.
    »Was blöd ist«, erwiderte sie. »Denn mit Männern ist es ja so, dass man sich noch was aufsparen sollte, wenn man will, dass sie einen respektieren.«
    »Was können Sie mir über Gavins Familienleben sagen?«
    »Meinen Sie seine Eltern?«
    »Ja.« »Seine Mom ist verrückt, und sein Vater ist ein geiler Bock. Wahrscheinlich hat Gav es daher.«
    »Hat sein Vater Sie angemacht?«
    »Igitt«, sagte sie. »Nie im Leben. Man hört nur dies und das.«
    »Worüber?«
    »Darüber, wer sich in fremden Betten rumtreibt.«
    »Jerome Quick treibt sich in fremden Betten rum?«
    »Das hat Gavin gesagt.«
    »Hat er Ihnen das gesagt?«
    »Er hat quasi damit angegeben«, antwortete sie. »Nach dem Motto: Mein Vater ist ein Hengst, und ich bin auch einer.«
    »War das nach dem Unfall?«
    »Nein«, erwiderte sie. »Davor. Als Gavin noch wie ein normaler Mensch geredet hat.«
    »Sie sagen, seine Mutter wäre verrückt.«
    »Das weiß jeder. Sie