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Im Sog der Angst

Im Sog der Angst

Titel: Im Sog der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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in den Vordergrund rückte, tief sitzenden Jeans aus Straußenleder und weißen Sandalen mit orangefarbenen Plastikabsätzen. Ihre langen Haare waren in eine weiße Jeansmütze gestopft, die sie abenteuerlich schräg aufgesetzt hatte. Große weiße Plastikohrringe. Sie hüpfte ein paarmal auf ihren Absätzen hoch, schien sich zu beruhigen, während sie den Nagellack musterte.
    Eine schwere Entscheidung; ihr hübsches Gesicht legte sich in Falten. Schließlich wählte sie ein zinnoberrotes Fläschchen aus und warf es in ihren Einkaufskorb. Dann ließ sie so schnell, dass ich es fast nicht gesehen hätte, zwei weitere Flaschen in die geräumige schwarze Handtasche gleiten - dieselbe übergroße, mit Rosen bestickte Tasche, mit der ich sie in der ersten Nacht gesehen hatte.
    Sie passte nicht gut zu den weißen Klamotten, aber etwas in der Größe hatte seine Vorzüge.
    Kayla näherte sich den Eyelinern im selben Gang. Einer in den Korb, zwei in die Handtasche. Dreist, nicht mal ein verstohlener Blick. Der Laden war ruhig, personell unterbesetzt. Falls Überwachungskameras im Einsatz waren, konnte ich sie nicht sehen.
    Ich vergrößerte den Abstand zwischen uns, tat so, als untersuche ich das Mundwasserangebot, schlenderte in den nächsten Gang, spazierte zurück, hob nicht den Kopf. Jetzt war sie drüben bei den Lippenstiften. Dieselbe Nummer.
    Auf diese Weise ging sie zehn Minuten durch den Laden, wobei sie sich auf kleine Artikel konzentrierte. Zahnseide, Reinigungsflüssigkeit für Kontaktlinsen, Aspirin, Süßigkeiten. Klaute die doppelte Menge dessen, was sie in ihren Korb tat.
    Ich kaufte einen Zehnerpack Kaugummi und war an der Kasse hinter ihr.
    Sie marschierte fröhlich zu ihrem Cherokee, schwenkte ihre Tasche und wackelte mit ihrem festen kleinen Hintern. Ich schaffte es, vor ihr an dem Geländewagen zu sein, kam plötzlich hinter ihm hervor und griff nach der schwarzen Tasche.
    »Was zum …«, sagte sie, bevor sie mich erkannte. »Cop.« Sie erstickte fast an dem Wort.
    Es schien mir keine gute Zeit für die ganze Wahrheit zu sein. »Sie haben ein kleines Problem, Kayla«, sagte ich.
    Die graugrünen Augen wurden größer. Glänzende Lippen teilten sich, während sie eine Antwort erwog. So ein hübsches Mädchen trotz der Hakennase. Und so leere Augen.
    »Ich mache gerade Recherchen«, sagte sie. »Für ein Referat.«
    »Wie lautet das Thema?«
    »Sie wissen schon.« Sie warf einen Blick zur Seite, schob eine Hüfte vor und versuchte, sich ein Lächeln abzuringen.
    »Wo studieren Sie?«, fragte ich.
    »Am Santa Monica College.«
    »Wann?«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Es ist Ende Juni. Es sind Ferien.«
    »Vielleicht mach ich einen Sommerkurs?«
    »Tun Sie das?«
    Keine Antwort.
    »Was ist Ihr Hauptfach?«
    Sie starrte auf den Asphalt, hob den Kopf, riskierte den Blickkontakt. »Design … ähm … und Psychologie.«
    »Psychologie«, sagte ich. »Dann kennen Sie ja den Begriff hierfür.«
    »Wofür?«
    Ich nahm ihr die Tasche ab, holte eine Flasche Kontaktlinsenreiniger, eingeschweißtes Tylenol und Lipgloss von Passionate Peach heraus. »Hierfür, Kayla.«
    Sie zeigte auf das Tylenol. »Ich habe oft Kopfschmerzen.«
    »Davon gehen sie nicht weg.«
    Ihre Blicke schossen nervös auf dem Parkplatz hin und her. »Ich möchte hier nicht gesehen werden.«
    »Das ist das geringste Ihrer Probleme.«
    »Bitte«, sagte sie. »Kommen Sie.«
    »Wir müssen miteinander reden, Kayla.«
    »Kommen Sie«, wiederholte sie. Wölbte den Rücken. Nahm ihre Mütze ab und schüttelte ihre Haare aus, womit sie einen blonden Sturm entfesselte.
    Sie zwinkerte zweimal. Schlug die Wimpern nieder. Bewegte ihren Kopf hin und her. Goldenes Haar schimmerte. »Kommen Sie«, sagte sie fast flüsternd. »Ich mach es wieder gut.«
    »Wie?«
    Langsam verzogen sich ihre Lippen zu einem Lächeln. »Ich blas dir einen«, sagte sie. »Wie dir noch nie einer geblasen worden ist.«
    Ich nahm ihren Autoschlüssel, setzte sie hinter das Steuer ihres Jeeps und befahl ihr, sich nicht zu rühren, während ich auf der Beifahrerseite Platz nahm. Ich ließ meine Tür zwei Zentimeter offen stehen. Ihr Wagen war ihr Territorium. Die offene Tür würde mich hoffentlich vor einer Anklage wegen Kidnappings bewahren, falls die Wahrheit jemals ans Licht kam.
    Sie stülpte sich die Mütze wieder auf den Kopf. Achtlos; goldene Strähnen kamen darunter zum Vorschein.
    »Bitte«, sagte sie, durch die Windschutzscheibe starrend. Ihr bauchfreies Hemd rutschte nach

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