Im Sog der Angst
zwanzig Verweise, von denen sechzehn mit seiner karitativen Tätigkeit zusammenhingen. Die meisten von diesen bestanden darin, dass sein Name auf Spenderlisten auftauchte. Wenn er überhaupt genauer bezeichnet wurde, dann als »Investor und Philanthrop«. Keiner der Verweise war mit einem Foto versehen.
Albin Larsen war eine deutlich wichtigere Figur im Cyberspace. Im letzten Jahrzehnt hatte er neben seiner Tätigkeit als praktizierender Psychotherapeut Vorträge über die Rolle der Psychologie im gesellschaftlichen Aktivismus sowohl in seinem Heimatland Schweden als auch in Frankreich, den Niederlanden, Belgien, Kanada und Kenia gehalten. Sein Name tauchte dreiundsechzigmal auf.
Wenn man so oft im Ausland war, konnte man schlecht Langzeittherapien durchführen; andererseits war es leichter, eine große Zahl von Patienten zu haben, wenn man sie gar nicht erst sah.
Ich begann mich durch die Vielzahl der Erwähnungen zu arbeiten. Larsens Verbindungen nach Afrika gingen über Vortragsveranstaltungen hinaus; während des Völkermords in Ruanda, dem achthunderttausend Tutsis zum Opfer gefallen waren, war er als Beobachter der Vereinten Nationen dort gewesen und hatte bei dem anschließenden Kriegsverbrechertribunal als Berater fungiert.
Einige der Erwähnungen wiederholten sich, aber die dreißig, die ich mir genauer ansah, gingen alle in die gleiche Richtung: Larsen bei der Verrichtung guter Werke.
Nicht gerade das Profil eines Schwindlers oder Mörders. Bevor ich ans Ende gekommen war, wechselte ich die Richtung und begann nach Psychotherapieprogrammen für auf Bewährung Entlassene und andere ehemalige Häftlinge zu suchen. Ich fand erstaunlich wenige. Keine Regierungsprojekte in Kalifornien, von einer staatlich subventionierten Fahrschule abgesehen, bei der vor kurzem entlassene Strafgefangene einen Lkw-Führerschein machen konnten. Dieses Projekt war einer genaueren Prüfung unterzogen worden, nachdem einer der Absolventen - zugedröhnt mit Methadon - mit seinem großen Sattelschlepper in ein Restaurant in Lodi gekracht war. Aber ich hatte kein Anzeichen dafür gefunden, dass das Projekt abgebrochen worden war.
Alles andere, das ich ausfindig machte, war akademischer Natur - ein paar versprengte Sozialwissenschaftler, die bestimmte Theorien befürworteten und mit Zahlen spielten. Wenn es Behandlungen für Kriminelle gab, dann bewegten sie sich normalerweise außerhalb des therapeutischen Mainstreams. Eine Gruppe in Baldwin Park warb für Meditation und »Persönlichkeitstraining« bei Exsträflingen, und eine in Laguna proklamierte die Macht von Kunst und Handwerk. Kampfsportarten, insbesondere Tai-Chi, waren die bevorzugte Behandlungsmethode einer Organisation in San Diego, und es fehlte nicht an religiösen Gruppen, die Techniken zum moralischen Wandel anboten.
Ich rief im State Department of Health an, ertrug fast eine Stunde Voice-Mail und Warteschleifenapathie, bevor ich mit einer abgespannten Frau sprach, die mir mitteilte, dass sie noch nichts von einer Gruppentherapie auf Bewährung Entlassener gehört hätte, aber falls es so etwas gäbe, würde sie dennoch nichts davon wissen, sondern das Department of Corrections. Weitere vierzig Minuten telefonischer Folter durch die Zentrale beim Justizvollzug, während ich zwischen den verschiedenen Stellen hin und her geschoben wurde. Ich drückte auf die »0« wie ein Besessener, bis ich jemanden aus der Vermittlung erreichte, der mir sagte, dass das Büro geschlossen sei.
Viertel nach vier. Meine Steuergelder machten Überstunden.
Ich kehrte zu den letzten zwölf WWW-Erwähnungen Albin Larsens zurück. Noch ein paar Vorträge und dann eine gemeinsame Presseerklärung von Larsen und einem UN-Kommissar namens Alphonse Almogardi in Lagos, in der sie versprachen, die Vereinten Nationen würden alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Schuldigen an dem Völkermord in Ruanda vor Gericht zu bringen.
Diesem Statement angehängte Links verbanden mich mit einer Website, die öffentlichen Angelegenheiten Afrikas gewidmet war. Die dem Aufmacher zugrunde liegende Geschichte hatte in Kigali, der Hauptstadt Ruandas, stattgefunden: Im Juni 2002 war es zu einer Demonstration von dreitausendfünfhundert Überlebenden des Völkermords gekommen, die den Internationalen Gerichtshof als Farce brandmarkten. Während der acht Jahre seit Einrichtung des Gerichtshofs war es nur zu sieben Prozessen gegen Kriegsverbrecher gekommen, alles Armeeangehörige niedriger Dienstgrade. Im
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