Im Sog der Angst
Straftäter, der um eine Behandlung bittet, bekommt sie auch. Bis zu einem Jahr Einzel- und/oder Gruppentherapie für jeden Bösewicht, keine Beschränkung auf eine bestimmte Stundenzahl, und die Finanzierung erfolgt direkt durch Medi-Cal. Das ist der Grund, warum ich keinen Geldstrom finden konnte. Es ist ein Tropfen im Ozean allgemeiner medizinischer Zahlungen.«
»Ein toller Deal für Straftäter«, sagte ich. »Und für Psychotherapeuten.«
»Allerdings, aber wenige Kassenärzte haben von dem Angebot des Staats auch Gebrauch gemacht. Entweder wissen sie nichts davon, oder sie wollen keine Verbrecher in ihren Wartezimmern sitzen haben. Wahrscheinlich das Erstere. Bird hat es nie publik gemacht, und er ist normalerweise der Erste, der eine Pressekonferenz gibt. Ich hab rausgefunden, dass seine dritte Frau Psychologin ist, und stell dir vor: Sie führt zwei der größten Programme in Oakland und Berkeley durch. Fast die ganzen Programme laufen oben im Norden. Es gibt noch eins in Redwood City und ein paar Gruppen in Santa Cruz, die ein fünfundachtzigjähriger Seelenklempner leitet, der eine Praxis in L.A. hatte und pensioniert ist. Das, an dem du vermutlich interessiert bist, ist der Psychologische Service Pacifica in Beverly Hills, stimmt’s?«
»Woher weißt du das?«
»Es ist das einzige Programm in Südkalifornien.«
»Bezahlung direkt aus dem Honigtopf von Medi-Cal«, sagte ich. »In welcher Höhe liegen die Erstattungen?«
»Warte, mein Lieber, das ist noch nicht alles. Wir reden von Medi-Cal plus . Das Gesetz gestattet Zuschläge wegen einer ›Notlagen‹-Klausel. Die Mittel kommen aus einem Sonderfonds der Legislative, aber die Vergabe läuft über Medi-Cal.«
»Das bedeutet, dies sind Patienten, die ein Durchschnittsarzt nicht behandeln würde, also sorgt der Staat für einen besonderen Anreiz. Wie besonders?«
»Doppelte Erstattung«, antwortete sie. »Im Grunde sogar ein bisschen mehr als doppelt. Medi-Cal bezahlt vierzehn Dollar für eine Gruppentherapie durch einen Dr. phil., fünfzehn für einen Dr. med., Therapeuten bekommen nach diesem Gesetz fünfunddreißig. Das Gleiche gilt für Einzeltherapien. Statt zwanzig pro Stunde fünfundvierzig. Siebzig Dollar für die Eingangsuntersuchung und achtundvierzig für Fallbesprechungen.«
»Fünfunddreißig pro Stunde für die Gruppe«, sagte ich und revidierte meine ursprüngliche Schätzung. Viele Nullen. »Nicht übel.«
»Es gibt keine finanzielle Kontrolle, soweit ich sehe, man stellt dem Staat seine Bemühungen in Rechnung und hält die Hand auf.«
»Gibt es eine Möglichkeit herauszufinden, wie viel jedes Programm in Rechnung gestellt hat?«
»Nicht für mich, aber Milo könnte es wahrscheinlich schaffen«, erwiderte sie. »Falls er das weiter verfolgen möchte, würde ich in Sacramento nachfragen. Fragt nach Dwight Zevonsky, das ist ein guter Mann, der in Betrugsfällen ermittelt.«
Ich schrieb mir die Nummer auf.
»Wie lautet der offizielle Name des Programms?«, fragte ich.
»Es hat keinen Namen, nur Assembly Bill 5678930-CRP-M, Zusatz F«, sagte sie. »Mit dem Untertitel ›Psychokulturelle Entmarginalisierung entlassener Straftäter‹. Was eines deiner Schlagworte war. Ich hab noch ein paar andere im Text des Zusatzes gefunden. ›Synergie‹, ›Wirksame Rehabilitation‹. Den einzelnen Programmen ist es freigestellt, sich einen eigenen Namen zu geben. Das in Beverly Hills heißt …«
»Wachposten für Gerechtigkeit.«
»Ja, genau wie du gesagt hast. Bedeutet das also, es ist schon mal gemacht worden?«
»Oh ja«, erwiderte ich.
»Wo?«
»Das willst du nicht wissen.«
Ich fand den Namen der dritten Frau des Abgeordneten Reynard Bird und schickte ihn durchs Internet.
Dr. Michelle Harrington-Bird. Eine große, rothaarige gebürtige Schottin Mitte vierzig, die gern afrikanische Gewänder trug und ihre Meinung zu verschiedenen politischen Fragen unverblümt aussprach. Der Abgeordnete war über siebzig, ein parlamentarischer Veteran, der für seine leidenschaftlichen Reden und die Fähigkeit bekannt war, in seinem Wahlbezirk Schlaglöcher zu stopfen.
Auf einem der vielen Fotos, die ich fand, stand Harrington-Bird inmitten einer Gruppe von Kollegen, zu denen auch Albin Larsen gehörte. Ein Haufen Therapeuten, die sich auf einem Kongress rumtrieben. Der spitzbärtige und bebrillte Larsen stand in einem Tweedanzug mit Strickweste neben Harrington-Bird und sah aus wie Hollywoods Inkarnation von Sigmund Freud. Seine Körpersprache
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