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Im Sog der Angst

Im Sog der Angst

Titel: Im Sog der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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worden. Auf der einzigen Tür stand REZEPTION.
    Dahinter befand sich ein großes, leeres Wartezimmer, das mit blauen, tweedbezogenen Stühlen und Beistelltischen möbliert war, auf denen sich Zeitschriften stapelten. Keine Empfangsdame, nur eine Tür und drei Schilder. DR. PHIL. FRANCO R. GULL, DR. PHIL. MARY LOU KOPPEL, DR. PHIL. ALBIN A. LARSEN.
    Larsen war der Menschenrechtler, den Koppel bei einigen ihrer Interviews zur Gefängnisreform dabeigehabt hatte. Versorgte zwei Praxen zum Preis von einer.
    Neben jedem Schild war ein Klingelknopf und eine kleine, fassettierte Birne angebracht. Ein weiteres Schild wies die Patienten an, sich mit einem Knopfdruck bemerkbar zu machen. Ein klares Licht bedeutete, dass der betreffende Arzt frei war, ein rotes hieß: Besetzt.
    Die Lichter von Gull und Larsen waren rot, Koppels nicht. Ich machte mich bemerkbar.
    Wenige Momente später ging die Tür auf, und Mary Lou Koppel stand in einem roten, kurzärmligen Kaschmirtop über einer weißen Leinenhose und roten Schuhen vor mir. Ihre dunklen Augen waren fast schwarz. Sie waren klar, wirkten intelligent und wissbegierig und ließen nicht von mir ab. Ihre Haare waren heller getönt als auf den Fotos, ein paar Falten waren hinzugekommen, ihre nackten Arme waren weich, sommersprossig und molliger als der Rest von ihr. Auf ihrem rechten Zeigefinger saß ein Cocktailring mit einem gelben Diamanten. Ein großer, kanariengelber Stein, der von winzigen Saphiren umgeben war. Kein Ehering.
    »Ja?«, sagte sie. Glatte, sanfte, tiefe Stimme. Eine Rundfunkstimme.
    Ich nannte ihr meinen Namen und gab ihr die Karte, auf der steht, dass ich manchmal die Polizei berate. Sie las das Kleingedruckte. »Delaware.« Sie gab sie mir zurück und sah mir in die Augen. »Das ist ein ungewöhnlicher Name … Sind wir uns schon mal begegnet?«
    »Vor ein paar Jahren, aber nur telefonisch.«
    »Das verstehe ich leider nicht.«
    »Die Wetmore-Scheidung. Das Gericht hatte mich hinzugezogen, damit ich in der Sorgerechtssache eine Empfehlung ausspreche. Sie waren Teresa Wetmores Therapeutin.«
    Sie blinzelte. Lächelte. »Wenn ich mich recht erinnere, war ich nicht sehr kooperativ, nicht wahr?«
    Ich zuckte mit den Achseln.
    »Unglücklich«, sagte sie. »Was ich Ihnen damals nicht sagen konnte, Dr. Delaware - was ich Ihnen wahrscheinlich immer noch nicht sagen sollte -, war, dass Teresa Wetmore mir die Hände gebunden hatte. Sie mochte Sie überhaupt nicht. Hatte kein Vertrauen zu Ihnen, verbot mir, Ihnen gegenüber irgendetwas preiszugeben. Damit saß ich in einer gewissen Klemme.«
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    Sie legte mir eine Hand auf die Schulter. »Die Unbilden unseres Berufs.« Ihre Hand verweilte einen Moment, glitt am Ärmel meines Jacketts hinunter, sank wieder herab. »Und was bringt Sie heute zu mir - in welcher Angelegenheit kann ich Ihnen außerdem nicht helfen?«
    »Gavin Quick.«
    »Was ist mit Gavin Quick?«
    »Er wurde vor zwei Tagen ermordet.«
    »Mord … oh mein Gott. Oh nein … kommen Sie herein.«
    Sie führte mich durch einen kurzen Gang an einem Fotokopierer und einem Trinkwasserbehälter vorbei zu einer von drei Türen im hinteren Bereich. Ihr Sprechzimmer war mit hellem Vogelaugenahorn getäfelt und mit einem Schreibtisch aus schwarzem Granit und einer Glasplatte, einem übergroßen Schreibtischsessel aus Plexiglas und Sofas und Ruhesesseln möbliert, die mit hellblauem Leder bezogen und mit dem Auge eines Innenausstatters arrangiert worden waren. Die Decken waren aus Kork - schallschluckend. An die exquisit gemusterten Paneele war nichts genagelt worden. Ihre Diplome und eine gerahmte Approbation als Psychologin waren zusammen mit kristallenen Briefbeschwerern und etwas, das wie Töpferware von Pueblo-Indianern aussah, seitlich in einer Glasvitrine ausgestellt. Meergrüne Vorhänge verhüllten die Fenster. Ihre Lage verhieß eine Aussicht auf den Parkplatz und die Gasse dahinter. Der Raum schaffte es, großzügig und gemütlich zugleich zu erscheinen. Eine luftige und dennoch intime Raumaufteilung.
    Mary Lou Koppel setzte sich hinter ihren Schreibtisch. Ich nahm den am nächsten stehenden weichen Sessel. Sehr weich. Ich sank tief ein und war gezwungen, zu ihr aufzublicken.
    »Das ist furchtbar«, sagte sie. »Ich hab Gavin erst letzte Woche gesehen. Ich kann es einfach nicht glauben.«
    Ich nickte.
    »Was ist passiert?«
    Ich gab ihr die nackten Daten und hörte mit dem nicht identifizierten blonden Mädchen auf.
    »Der arme

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