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Im Sog der Angst

Im Sog der Angst

Titel: Im Sog der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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hinunter. »Klingt nach einer liebreizenden Person. Was macht sie für die Medien interessant?«
    »Alles, was ihr in den Kram passt.«
    »Ist sie eine selbst ernannte Expertin?«
    »Talkshows sind immer hungrig nach Lückenfüllern«, erklärte ich. »Wenn du sagst, du bist ein Spezialist, dann bist du einer. Ich nehme an, Koppel hat einen PR-Mann eingestellt und sich eine nette kleine Zirkusnummer gekauft, mit der sie ihrer Praxis den nötigen Zulauf verschafft.«
    »So jung und schon so zynisch.«
    »Einer von uns beiden muss es ja sein.«
    Er grinste, wischte mit einem Rest Baguette die Sauce auf seinem Teller auf und steckte ihn sich in den Mund. »Sind Kopfverletzungen ein heißes Thema für die Medien?«
    »Falls du wissen willst, ob Koppel eine qualifizierte Neuropsychologin ist, kann ich das nicht beantworten. So jemanden hätte Gavin gebraucht, zumindest am Anfang. Jemanden, der feststellte, was wirklich mit seinem Gehirn los war, und eine auf seinen Fall zugeschnittene Rehabilitationsmaßnahme empfehlen konnte.«
    »Der Neurologe hat gesagt, er hätte nichts finden können.«
    »Dann wäre es umso wichtiger gewesen«, erwiderte ich. »Wenn ich wetten müsste, würde ich sagen, dass Koppel keine Neuropsychologin ist. Es ist ein kleines Gebiet, das eine spezielle Ausbildung erfordert. Die meisten Neuropsychologen machen keine Psychotherapie.«
    Seine Augen schlossen sich zur Hälfte. »Claire Argent war eine, stimmt’s?«
    Dr. Claire Argent war eines von vielen Opfern eines Ungeheuers gewesen, das wir vor ein paar Jahren gejagt hatten. Eine ruhige Frau, eingehüllt in Geheimnisse, die an der Taille durchgeschnitten im Kofferraum ihres Wagens gefunden wurde.
    »Das war sie«, sagte ich.
    Er atmete tief ein. Schloss die Augen und massierte sich die Lider. »Willst du sagen, dass Gavin vielleicht von Koppel falsch behandelt wurde?«
    »Es sei denn, ich irre mich, und er hat eine gründliche Anamnese bekommen.«
    »Ich hab mir überlegt, dass es klug wäre, mit Koppel zu reden. Selbst wenn sich herausstellt, dass Gavin nicht das primäre Opfer war, hat er vielleicht die Blondine seinem Seelenklempner gegenüber erwähnt, und ich kann mir eine Menge Arbeit sparen.«
    »Rechne nicht damit, so schnell bei ihr durchzukommen. Angesichts ihres Bekanntheitsgrads könnte ich mir denken, dass sie nicht gern mit einem ermordeten Patienten in Verbindung gebracht werden möchte.«
    »Ich hab die Einverständniserklärung der Eltern.«
    »Das erlaubt ihr, mit dir zu reden«, erklärte ich. »Es verpflichtet sie nicht dazu. Sie kann wählerisch hinsichtlich dessen sein, was sie dir sagt. Falls sie dir überhaupt etwas sagt.«
    »Du magst sie wirklich nicht.«
    »Sie hat sich quer gelegt, als es nicht nötig war. Es ging um das Wohlergehen eines Kindes, und das war ihr egal.«
    Er lächelte. »Eigentlich hatte ich gedacht, ich könnte dich bitten, mit ihr zu sprechen. Von Doc zu Doc. Das würde mir erlauben, mich um den anderen Kram zu kümmern. Etwa noch mal bei der Vermisstenstelle nachzufragen, vielleicht die Suche auf den Norden und den Süden des Bundesstaats auszudehnen, die Obduktionsberichte durchzusehen, die ballistischen Untersuchungen, die Kleider des Mädchens zu überprüfen. Ist aber kein Problem. Ich hab mir diesen Fall geschnappt, dann werd ich ihn auch durchziehen.«
    Er warf Geld auf den Tisch, und wir gingen aus dem Deli.
    »Ich werde mit ihr reden«, sagte ich.
    Er blieb auf dem Bürgersteig stehen. Beverly-Hills-Frauen glitten in einer Wolke von Parfum um uns herum. »Bist du sicher?«
    »Warum nicht? Diesmal wird kein telefonisches Nachlaufen gespielt. Von Angesicht zu Angesicht, das wird bestimmt interessant.«

6
    Mein Haus, das für zwei Personen entworfen wurde, liegt zwischen Kiefern oberhalb eines Reitwegs, der sich durch Beverly Glen schlängelt. Hohe weiße Wände, polierte Holzböden, Oberlichter an interessanten Stellen und nicht zu viele Möbel lassen es größer wirken, als es ist. Ein Makler-Slogan könnte lauten: »eine luftige und dennoch intime Raumaufteilung«. Wenn ich allein nach Hause komme, kann es eine Menge Echos und negative Ausstrahlung bedeuten.
    An diesem Abend kam es mir kalt vor. Ich ging an der Post auf dem Esszimmertisch vorbei in mein Arbeitszimmer. Ich fuhr den Computer hoch, suchte Mary Lou Koppel im Verzeichnis der American Psychological Association und ließ ihren Namen durch ein paar Suchmaschinen laufen.
    Sie hatte ihren Dr. phil. an derselben Hochschule wie ich

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