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Im Sog der Angst

Im Sog der Angst

Titel: Im Sog der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Junge«, sagte sie. »Er hatte so viel durchgemacht.«
    »Der Unfall.«
    Sie legte die Hände auf die gläserne Schreibtischplatte. Ihre Handgelenke waren winzig, ihre Finger kurz, aber dünn, die Nägel mit Klarlack überzogen. Neben ihrer rechten Hand stand eine Porzellandose, in der Visitenkarten, eine Lesebrille und ein kleines silbernes Mobiltelefon lagen. »Hat die Polizei eine Idee, was passiert ist?«
    »Nein. Aus dem Grund bin ich hier.«
    »Mir ist nicht ganz klar, was Sie für die Polizei tun.«
    »Das geht mir manchmal auch so«, erwiderte ich. »Diesmal wurde ich gebeten, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen, weil wir Kollegen sind.«
    »Kollegen«, sagte sie. »Glauben die, ich kann dabei helfen, einen Mordfall aufzuklären?«
    »Wir reden mit jedem.«
    »Nun ja«, sagte sie, »ich war Gavins Therapeutin, aber ich sehe nicht, inwiefern das relevant sein könnte. Sie glauben doch bestimmt nicht, dass der Mord irgendetwas mit Gavins Behandlung zu tun hat.«
    »Zu diesem Zeitpunkt können wir nichts ausschließen, Dr. Koppel.«
    »Mary Lou«, sagte sie. »Nun ja, klar, die Logik dahinter kann ich verstehen … abstrakt gesprochen.« Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Bevor wir weitermachen, sollte ich vielleicht eine Art schriftlicher Genehmigung sehen. Mir ist bewusst, dass es nach Gavins Tod keine gesetzliche Schweigepflicht mehr gibt. Und ich möchte mit Sicherheit nicht als jemand gelten, der Ihnen Steine in den Weg legt. Wieder einmal. Aber … Sie verstehen, nicht wahr?«
    »Absolut.« Ich gab ihr das Formular, das die Quicks unterschrieben hatten.
    Sie warf einen Blick darauf. »Man kann nicht vorsichtig genug sein. Okay, was würden Sie gern wissen?«
    »Gavins Eltern deuteten an, nach dem Unfall wären bei ihm gewisse Veränderungen aufgetreten. Seine Körperpflege habe zu wünschen übrig gelassen … und offenbar gab es bestimmte Dinge, die sich wie zwanghaftes Verhalten anhören.«
    »Sind Sie mit den Folgeerscheinungen von geschlossenen Schädeltraumata vertraut, Dr. Delaware?«
    »Ich bin kein Neuropsychologe«, sagte ich, »aber es klang nach einem für Gehirnerschütterungen typischen Syndrom mit Persönlichkeitsveränderungen.«
    »Bei einem geschlossenen Schädeltrauma ist alles möglich - darf ich Sie Alex nennen?«
    »Klar.«
    Sie zeigte mir ihre herrlichen Zähne. Schaltete wieder auf ernst. »Das war eine Attacke auf die Stirnlappen, Alex. Ihnen ist bewusst, welche Rolle die Stirnlappen in Fragen emotionaler Reagibilität spielen. Als Gavins Kopf gegen die Rückenlehne vor ihm stieß, kann das für ihn wie das Äquivalent einer kleinen Lobotomie gewesen sein.«
    »Es war zehn Monate her«, sagte ich, »und er war noch nicht völlig wiederhergestellt.«
    »Ja … das fand ich Besorgnis erregend. Andererseits kann das menschliche Gehirn - besonders das Gehirn junger Menschen - wunderbar plastisch sein. Ich machte mir Hoffnungen.«
    »Auf völlige Wiederherstellung?«
    Sie zuckte mit den Achseln.
    »Plastizität«, sagte ich. »Sie machen auch Neuropsychologie?«
    Sie musterte mich einen Moment lang. »Ich halte mich mit Fachzeitschriften auf dem Laufenden. Ein Neuropsychologe wurde nicht gebraucht, weil die organische Seite von einem Neurologen abgedeckt wurde. Er stimmte mit mir darin überein, dass nichts dadurch gewonnen werden könnte, Gavin weiteren Tests zu unterziehen. Was der Patient brauchte, war emotionale Unterstützung, und meine Arbeit bestand darin, sie zu gewährleisten.«
    Ich zog meinen Notizblock hervor. »Dr. Singh.«
    »Ein sehr guter Mann.«
    »Hat er Gavin an Sie überwiesen?«
    Sie nickte.
    »Wann?«
    »Gavin ist rund drei Monate in Behandlung gewesen.«
    »Sieben Monate nach dem Unfall.«
    »Es dauerte eine Weile, bis die Dinge sich beruhigt haben.«
    Ich tat so, als läse ich in dem Block. »Er ist an Ihre Praxisgemeinschaft überwiesen worden, nicht an Sie direkt.«
    »Wie bitte?«
    »Man hat mir gesagt, dass Gavin mit einem Ihrer Partner begonnen hat, dann aber zu Ihnen übergewechselt ist.«
    Sie schlug die Beine übereinander. Der schwarze Granitsockel verbarg den größten Teil der Bewegung, aber ich konnte die Spitze eines roten Schuhs sehen. »Jetzt, wo Sie meinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen, muss ich sagen, dass genau das der Fall war. Singh hat Gavin an die Praxisgemeinschaft überwiesen, und Franco - Dr. Gull - war an der Reihe. Gavin hatte zwei Termine bei Franco, dann habe ich übernommen.«
    »Probleme zwischen Gavin und Dr.

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