Im Sog der Angst
für sexuelle Fragen zu suchen ergibt einen Sinn.«
»Macht Koppel auch Sexualtherapie?«
»Es scheint sehr wenig zu geben, was sie nicht macht.«
Die Ampel wurde rot, und er ließ den Wagen ausrollen. Ein Jumbojet auf dem Weg zum LAX glitt im Tiefflug über uns hinweg. Als der Lärm nachließ, sagte ich: »Angenommen, Nichols’ Alibis sind echt, wäre dir nach einer anderen Theorie zumute?«
»In diesem Stadium würde ich einer Astrologin zuhören.«
»Im Rahmen ihrer Therapie wird Flora von Koppel ermuntert, mehr Zuversicht und Lust auf Abenteuer zu beweisen, woraufhin sie Risiken eingeht. In Fällen wie ihrem ist das ein übliches Verfahren.«
»Was für Risiken?«
»Gespräche mit Fremden anzufangen, vielleicht sogar, sich mitnehmen zu lassen. Und sie suchte sich den falschen Typ aus. Was uns wieder zurück zur Bewährungshilfe bringt. Was ist, wenn Flora etwas mit einem Knastbruder angefangen hat? Einem aggressiven Supermacho - jemand wie Roy Nichols, aber ohne den Nachbarsjungenhintergrund, der ihm gewisse Schranken auferlegt. Der Mord könnte ein sexuelles Spiel gewesen sein, das zu weit getrieben wurde. Oder Flora hat es sich anders überlegt und einen schrecklichen Preis dafür bezahlt.«
»Eine Art Mr. Goodbar«, sagte er. »Das Mädchen war auch eine Lehrerin …, aber sie war allein stehend und führte ein Doppelleben. Flora war mit Van Dyne verlobt, als sie ermordet wurde. Willst du sagen, dass unser züchtiges Mädchen ihren Verlobten mit einem Straftäter betrogen hat?«
»Falls es ein Straftäter war, hat sie ihn kennen gelernt, bevor sie mit Van Dyne anfing. Ich will sagen, dass sie vielleicht außer ihm noch einen Mann nebenher hatte.«
»Ein Doppelleben.«
»Oder vielleicht hat Flora mit dem Knastbruder Schluss gemacht, nachdem sie Van Dyne kennen gelernt hatte, aber er wollte das nicht akzeptieren. Es gab keine Anzeichen für ein gewaltsames Eindringen. Das könnte bedeuten, es war jemand, den Flora kannte, oder ein erfahrener Einbrecher. Oder beides.«
»Flora hat ihrer Mutter und Van Dyne erzählt, dass sie in diesem Büro der Bewährungshilfe wegen der Leute, die dort verkehrten, nicht gern gearbeitet hätte. Glaubst du, sie hat gelogen?«
»Menschen neigen dazu, ihr Leben fein säuberlich zu unterteilen.«
Die Ampel wurde grün, und wir rollten langsam weiter, sofern es der Verkehr zuließ. Der Himmel war braun am Horizont und verblasste zu Spülwasser, wo sich die Sonne durchkämpfte. Milo spielte wieder mit dem Lautstärkeknopf am Funkgerät, hörte sich noch ein paar Polizeimeldungen an, stellte das Gerät wieder leiser.
»Sie betrügt Van Dyne mit einem bösen Buben«, sagte er. »Oder Van Dyne hat vielleicht etwas herausgefunden, was er nicht herausfinden sollte, und ist durchgedreht. Zum Teufel, vielleicht ist Van Dyne ja gar nicht so unschuldig, wie er rüberkommt.«
Ich dachte darüber nach. »Floras Mutter deutete an, dass Van Dyne nicht besonders männlich sei. Das könnte auf eine Bemerkung Floras zurückgehen. Und sein Alibi ist keinen Deut besser als das von Roy.«
»Also waren die sexuellen Probleme vielleicht nicht auf sie beschränkt. Was ist, wenn der gute alte Brian ihn nicht hochkriegt? Das wäre bestimmt ganz schön frustrierend für einen stillen Jungen wie ihn.« Er stellte den Polizeifunk lauter und schien sich von dem ununterbrochenen Geplapper des Beamten in der Einsatzleitung einlullen zu lassen. Die nächste Verkehrswelle warf uns ein paar Meter nach vorn, und er schaltete abrupt auf Mittelwelle um. Er stellte einen Sender ein, auf dem eine Talkshow lief, und hörte dem Talkmaster zu, der einen Anrufer beschimpfte, weil dieser sich als Bewunderer des Präsidenten geoutet hatte, und drehte das Gerät wieder leiser.
»Ogden und McKinley haben Nichols nicht in die Akte aufgenommen, aber sie haben zwei Tage damit verbracht, ihn zu verhören. Dem guten Brian haben sie noch nicht einmal so viel Aufmerksamkeit zuteil werden lassen …, aber was soll’s, es ist nicht mal mein Fall. Es sei denn, er ist mit Gavin und der Blondine verknüpft.«
Er stellte die Talkshow wieder lauter. Der Talkmaster beschimpfte eine Anruferin, weil sie nicht einsehen wollte, dass sie persönlich für ihr Übergewicht verantwortlich war. Er schnitt ihr mitten im Satz das Wort ab, und es ertönte ein Werbespot für eine Schlankheitskur auf Kräuterbasis.
»Was hältst du von diesen Sendungen?«, fragte er.
»Der Überschwang der freien Rede«, sagte ich. »Und der schlechten
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