Im Sog der Angst
Duschen und für ein ordentliches Frühstück habe, bevor ich um halb sieben auf der Baustelle bin. Ich arbeite den ganzen Tag wie ein Verrückter, komme nach Hause, stemme noch ein paar Gewichte, esse, sehe fern und gehe um halb neun ins Bett. Das ist mein tolles Leben, und ich finde es ganz okay, klar? Nicht okay finde ich dagegen, dass Sie hier vorbeikommen und mich ohne jeden Grund belästigen. Ich bin nicht verpflichtet, mit Ihnen zu reden, und deshalb gehe ich jetzt wieder arbeiten.«
Wir sahen zu, wie er davonstolzierte.
»Und unser erster Kandidat im Charmewettbewerb«, sagte ich.
»Meinst du, er könnte unser Mann sein?«, fragte Milo.
»Falls seine Alibis der Überprüfung nicht standhalten, wäre ich eindeutig an ihm interessiert.«
»Flora wurde zwischen Mitternacht und zwei Uhr ermordet. Er behauptet, ein Kumpel hätte ihn kurz nach zwölf nach Hause gefahren und seine Frau hätte ihn um zwei geweckt. Das klingt zu schön, um wahr zu sein, und ich hab nichts davon in der Akte gelesen.«
»Was ist, wenn er ein bisschen früher nach Hause gekommen ist und seine Frau ihn näher an ein Uhr geweckt hat? Sie beschimpfte ihn, redete sich alles von der Seele und ging ins Bett, ließ ihn wütend und frustriert sitzen, und er konnte nicht wieder einschlafen. Er stand auf, ging aus dem Haus und fuhr zu einer anderen Frau, die ihn frustriert hatte. Großer Stress ist ein Auslöser für manche Sexualverbrecher. Und viele gut organisierte Psychopathen führen nach außen stabile Ehen, während sie andere Frauen auf brutale Weise fertig machen.«
»Hast du Krach mit deiner Frau, lass es an der Exfrau aus.«
»Er scheint im Moment unter großem Stress zu stehen«, sagte ich. »Ein sexuell aufgeladener Bursche, der wieder bei seinen Eltern wohnt.«
»Gavin und die Blondine«, sagte er. »Ein Pärchen, das gerade zur Sache gehen will, bringt das Fass zum Überlaufen, weil sich sexuell einiges in ihm aufgestaut hat.«
»Sein Alibi für den Mord an Gavin und der Blondine ist noch fadenscheiniger, weil er und seine Eltern nicht im selben Zimmer schlafen. Er könnte sich problemlos rausgeschlichen haben, ohne dass sie was davon mitkriegen. Selbst wenn sie das Gegenteil behaupten, schließlich sind sie seine Eltern.«
Nichols ging zu dem Gerüst, ohne sich umzudrehen. Wir sahen zu, wie er in den ersten Stock hochstieg, seinen Werkzeuggürtel umschnallte und die Nagelpistole hochhob. Er wandte sich einem anderen Abschnitt zu - machte auf lässig, bevor er die Pistole gegen einen Querbalken presste.
Schnapp, schnapp, schnapp.
»Machen wir, dass wir hier wegkommen«, sagte Milo, und wir gingen zum Wagen zurück. Er bog wieder auf den Sepulveda ein und fuhr nach Norden, Richtung L.A. Es herrschte dichter Verkehr, und man kam nur langsam vorwärts. Die Luft war hart und unnachgiebig und schien gegen die Seiten des zivilen Einsatzwagens zu drücken. Er zog viele Blicke auf sich. Jeder wusste, dass es sich um ein Polizeifahrzeug handelte. Selbst wenn wir in einem VW gesessen hätten, wäre Milo an seinen ruhelosen Augen als Cop erkannt worden.
» Ich wüsste gern«, sagte er, »warum Lorraine und Al darauf verzichtet haben, Nichols in die Mordakte aufzunehmen.«
»Wirst du sie fragen?«
»Das ist meine Art, Junge. Offen und ehrlich.«
»Das dürfte lustig werden.«
»Hey«, sagte er. »Ich werde einfühlsam vorgehen.«
Er schaltete den Polizeifunk ein, hörte sich ein paar Minuten die Verbrechensmeldungen an, murmelte: »Ich liebe diese Stadt« und drehte die Lautstärke herunter.
»Selbst wenn Nichols unschuldig ist«, sagte ich, »hat er uns brauchbare Informationen gegeben.«
»Floras sexuelle Probleme?«
»Vielleicht waren sie der Grund, warum sie eine Therapie machen wollte. Das würde erklären, warum sie es Van Dyne nicht erzählt hat. Wo ich jetzt darüber nachdenke: Er hat sie auch als auf den ersten Blick nicht sehr leidenschaftlich beschrieben. Das Timing passt: Sie begann mit der Behandlung, nachdem Nichols ihr den Laufpass gegeben hat und bevor sie Van Dyne kennen lernt. Nichols behauptet, er hätte sich wie ein Gentleman benommen, aber ich bin sicher, dass er von brutaler Offenheit war, was den Grund betrifft, weshalb er mit ihr Schluss gemacht hat.«
»Er war bestimmt sehr taktvoll«, sagte Milo. »›Hey, du Schlampe, mach die Beine breit oder ich kratze die Kurve.‹«
»Sobald Flora den Schmerz überwunden hatte, entschied sie vielleicht, sie hätte ein Problem. Sich eine Psychotherapeutin
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