Im Sog der Angst
Manieren. Bist du ein Fan?«
»Nee, ich habe genug Gemeinheit in meinem Job, aber der Zeitung von heute zufolge ist unsere liebe Mary Lou in einer Stunde dran.«
»Tatsächlich?«, sagte ich. »Willst du ihr zuhören?«
»Ich glaube daran, dass man nie auslernt.«
14
Milo verließ sein Büro, um mit Lorraine Ogden zu sprechen, während ich an seinem Schreibtisch sitzen blieb und die Mordakte Gavin Quick durchlas. Nichts Neues. Ich knöpfte mir die Akte Flora Newsome vor.
Auch dort gab es keine Fortschritte. Milo kam fünf Minuten später mit rotem Gesicht zurück und schüttelte den Kopf.
Ich machte seinen Sessel frei, aber er ließ sich auf dem Rand des Schreibtischs nieder, streckte die Beine aus und lockerte seinen Schlips. »Meine Einfühlsamkeit hat versagt. Ich bin auf Nichols zu sprechen gekommen, und sie hat gemeint, sie hätte sich für diesen Fall den Arsch aufgerissen und es wäre nicht meine Sache, ihre Entscheidungen im Nachhinein zu kritisieren. Sie sagte, ich solle mich auf meinen eigenen Fall konzentrieren - wenn sie genauer darüber nachdächte, wären sie sich gar nicht so ähnlich, ich solle sie da raushalten. Dann hielt sie mir das hier unter die Nase.«
Er reichte mir ein zerknittertes Stück Papier, das ich glatt strich. Ein ballistischer Bericht aus dem Kriminallabor mit dem Stempel DRINGEND und den Initialen von Detective L.L. Ogden versehen. Vergleiche zwischen der 22er, mit der Gavin und die Blondine erschossen worden waren, und der Pistole, die Floras Leben beendet hatte. Ein Waffentechniker namens Nishiyama hatte den Test abgezeichnet.
Ähnliche Waffen, wahrscheinlich billige, importierte halbautomatische Pistolen, aber nicht identisch.
»Bei einer Billigwaffe«, sagte ich, »könnte man die eine nach Gebrauch wegwerfen und sich eine andere besorgen.«
»Möglich ist alles, aber es wäre verdammt viel besser gewesen, wenn es sich um dieselbe Waffe gehandelt hätte. Jetzt habe ich eine Kollegin verärgert und bin einer Lösung keinen Schritt näher gekommen.«
»Sie ist ein Detective II, du bist Lieutenant. Ich dachte, die Weisungsbefugnis wäre klarer geregelt.«
»Ich habe nur den Titel. Das ist der Preis dafür, dass ich keinerlei administrative Verpflichtungen habe; alle wissen, dass mein Einfluss gleich null ist.« Er durchwühlte seine Post. »Sieht so aus, als hätten wir bis jetzt kein Glück mit der Blonden …« Seine Augen wanderten zu der Timex. »Koppel ist auf Sendung.«
Er schaltete das Radio auf seinem Schreibtisch an und stellte den Talkshowsender ein. Ein anderer Talkmaster, der gleiche Grad an Häme. Eine Tirade über Leibesvisitationen nach ethnischen Gesichtspunkten; dieser Typ hielt absolut nichts davon.
Milo sagte: »Klar, wir sehen uns Großmutters Schuhe am Flughafen ganz genau an, während Mr. Hamas hindurchspaziert.«
Der Gastgeber sagte: »Okay, Leute, hier ist Tom Curlie zur vollen Stunde, und wir rechnen jede Minute mit einem tollen Gast. Dr. Mary Lou Koppel, eine berühmte Psychiaterin, und alle Hörer dieser Sendung wissen, dass sie schon früher dabei war, und wissen außerdem, dass sie schlau ist … Und alle, die uns nicht zuhören, wer zum Teufel braucht euch denn, häh-häh … Heute werden wir uns über ein Thema unterhalten, das … Was ist das? Mein Toningenieur, der allzeit charismatische Gary, informiert mich gerade, dass Dr. Mary Lou Koppel sich verspätet … Sie arbeiten besser ein bisschen an Ihrer Pünktlichkeit, Doc. Vielleicht sollten Sie einen Psychiater aufsuchen, häh-häh-häh … Dann reden wir in der Zwischenzeit eben über Autoversicherungen. Ist Ihnen schon mal irgendeiner dieser Irren hinten reingefahren, die überall zu sein scheinen, wie Invasoren aus dem Weltraum? Sie wissen schon, von wem ich rede: Ausgeflippte, Handyfreaks und ganz einfach lausige Autofahrer. Hat einer von ihnen Ihren Kotflügel beflügelt? Oder Schlimmeres damit angestellt? Dann wissen Sie um den Wert einer guten Versicherung, und die Low-Ball Insurance ist die beste im weiten Umkreis...«<
»Koppel ist Psychologin und keine Psychiaterin«, sagte Milo.
»Warum soll man sich von Tatsachen beirren lassen?«
Tom Curlie kam zum Ende seines Sermons und leitete über zu einem vorher aufgezeichneten Werbespot für juristische Formulare im Do-it-yourself-Verfahren. Dann verkündete eine Frau mit sinnlicher Stimme den Wetterbericht und die Nachrichten zur Verkehrslage.
Ein weiterer Werbespot war an der Reihe - Tom Curlie schwärmte überschwänglich
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