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Im Sog der Angst

Im Sog der Angst

Titel: Im Sog der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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gestellt werden musste.« Ihre Augen wurden feucht.
    »Meiner Ansicht nach hat er Ihnen keine andere Wahl gelassen, Ma’am«, erwiderte Milo.
    »Das haben alle zu mir gesagt.«
    »Wer ist alle?«
    »Meine Familie.«
    »Wohnt Ihre Familie hier?«
    »Nein«, antwortete sie. »Meine Eltern leben in Deutschland. Mein Vater ist Captain in der Army. Ich habe ihnen zunächst nicht gesagt, was los war, weil ich wusste, wie mein Dad reagieren würde.«
    »Wie denn?«
    »Er hätte mit Sicherheit Urlaub genommen, wäre hierher geflogen und hätte mit Gavin ein ernstes Wort geredet. Als er es erfuhr, hatte ich große Schwierigkeiten, ihn davon zu überzeugen, genau das nicht zu tun. Das war mit ein Grund dafür, dass ich Anzeige erstattet habe. Ich musste Dad zusichern, dass ich mich um meine Angelegenheiten selbst kümmere. Aber ich musste es einfach tun, auch so. Es wurde einfach zu heftig, und Gavin brauchte offensichtlich Hilfe.«
    »Sie haben es Ihren Eltern nicht erzählt, sondern sie haben es selbst rausgefunden?«
    »Meine Schwester hat es ihnen erzählt. Sie lebt in Tucson, und ich habe mich ihr anvertraut und ihr das Versprechen abgenommen, es nicht weiterzusagen.« Sie lächelte. »Natürlich hat sie nicht auf mich gehört. Was ich verstehe, ich bin ihr nicht böse. Wir stehen uns nahe, sie wollte nur mein Bestes.«
    »Hat Ihnen sonst noch jemand geraten, Strafanzeige zu erstatten?«
    »Was meinen Sie damit?«
    Milo schaute ihren Ring an.
    »Damals war er nicht mein Verlobter«, sagte Beth Gallegos. »Wir haben uns kennen gelernt, kurz bevor ich Anzeige erstattet habe.«
    Milo versuchte, wohlwollend zu lächeln. »Wie heißt der glückliche junge Mann?«
    »Anson Conniff.«
    »Wann ist der große Tag?«
    »Im Herbst.« Gallegos’ dunkle Augen gewannen an Helligkeit. »Lieutenant, warum stellen Sie mir all diese Fragen über mich und meine Familie?«
    »Ich muss ein paar offene Dinge klären.«
    »Offene Dinge? Lieutenant, bitte ziehen Sie mich da nicht hinein. Ich kann das wirklich nicht noch einmal mitmachen - bitte.«
    Ihre Stimme war lauter geworden. Das Café war fast leer, aber die wenigen Gäste drehten sich um und starrten uns an. Milo funkelte sie an, bis sie sich abwandten.
    »Was mitmachen, Ma’am?«
    Gallegos wischte sich über die Augen. »Juristischer Kram, die Gerichte - ich möchte nie wieder eine eidesstattliche Erklärung sehen. Bitte halten Sie mich da raus.«
    »Ich bin nicht daran interessiert, Ihnen Kummer zu bereiten, Ms. Gallegos, aber ich muss mit jedem sprechen, mit dem Gavin in Konflikt geraten ist.«
    Gallegos schüttelte den Kopf. »Es gab keinen Konflikt. Ich habe Gavin nie angeschrien, habe mich nie beklagt. Die Sache ist einfach außer Kontrolle geraten. Er musste sich damit auseinander setzen.«
    »Hat er aufgehört?«, fragte ich.
    »Ja.«
    »Völlig?«
    »Völlig.« Ihre Augen wichen zur Seite aus.
    »Sie haben nie wieder etwas von ihm gehört?«, fragte ich.
    Sie zupfte an ihrer Serviette, zerriss die Ecken und bildete ein kleines Häufchen Konfetti, das sie zusammenschob und auf ihre Untertasse legte.
    »Es war praktisch vorbei«, sagte sie. »Es war vorbei.« Ihre Stimme zitterte.
    »Beth«, sagte Milo, »Sie sind offenbar ein guter Mensch. Das bedeutet, dass Sie auch eine sehr schlechte Lügnerin sind.«
    Gallegos warf einen Blick auf die Tür des Cafés, als plane sie ihre Flucht.
    »Was ist passiert?«, fragte Milo.
    »Es war nur ein einziges Mal«, sagte sie. »Vor einem Monat. Es war kein Problem, ein absolut bedeutungsloser Anruf, deshalb habe ich niemandem davon erzählt.«
    »Wo hat er Sie gefunden?«
    »Hier. Im Büro. Ich wartete auf den nächsten Patienten, und die Sekretärin gab mir das Telefon. Er hatte ihr gesagt, er wäre ein Freund. Sie hat keine Ahnung von meiner … Geschichte mit Gavin. Als ich seine Stimme hörte, musste ich … Mein Herz begann schneller zu schlagen, und mir brach der Schweiß aus. Aber er war … okay. Nicht unangenehm. Er sagte, es täte ihm Leid, was er getan hatte, und wollte sich entschuldigen. Dann sagte er, dass er eine Frau kennen gelernt hätte und sein Leben in den Griff bekäme und dass er hoffte, ich würde ihm verzeihen. Ich sagte ihm, das hätte ich bereits getan, und das war’s.«
    »Glauben Sie, er hat Ihnen die Wahrheit gesagt?«, fragte Milo. »Damit, dass er eine Frau kennen gelernt hätte?«
    »Er klang aufrichtig«, erwiderte sie. »Ich hab ihm gratuliert und gesagt, ich würde mich für ihn freuen.« Sie atmete aus.

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