Im Sog der Angst
»Er klang irgendwie … reifer. Ruhiger und gelassener.«
»Hat er etwas über die Frau gesagt, die er getroffen hat?«
»Nein. Er klang glücklich.«
»Wenn er glücklich ist, lässt er Sie in Ruhe.«
»Das auch«, sagte sie, »aber in dem Moment dachte ich: ›Gavin kriegt es endlich auf die Reihe.‹« Sie berührte den Henkel ihrer Teetasse, ließ den Teebeutel kreisen. »Ich habe nie etwas gegen ihn gehabt, Lieutenant. Ich habe ihm gegenüber nur Mitleid empfunden. Und Angst, als es wirklich heftig wurde. Aber ich war glücklich, dass sich für ihn alles zum Guten wendete.«
»Anson ist wahrscheinlich auch glücklich«, sagte ich.
»Ich hab Anson nichts von dem Anruf erzählt.«
»Zu unangenehm.«
»Er hat genug mit mir durchgemacht«, erklärte sie. »Wir hatten uns gerade kennen gelernt, als die Sache mit Gavin anfing. Es ist keine tolle Art, eine Beziehung zu beginnen.«
»Anson muss ziemlich bestürzt gewesen sein«, sagte Milo.
»Wer wäre das nicht gewesen?« Ihre Augen wurden klarer. »Sie werden nicht mit ihm reden, nicht wahr?«
»Doch, das werden wir, Beth.«
»Warum?«
»Wie gesagt, jeder, der sich mit Gavin in einem Konflikt befand.«
»Anson hatte keinen Konflikt mit … Bitte gehen Sie nicht zu ihm - ziehen Sie Anson nicht mit hinein. Er würde Gavin nie etwas antun; niemandem würde er etwas tun. So jemand ist er nicht.«
»Ist er gelassen?«, fragte Milo.
»Er ist reif. Diszipliniert. Anson weiß, wie man sich beherrscht.«
»Was macht er beruflich?«
»Beruflich?«, sagte Gallegos.
»Sein Job.«
»Sie werden tatsächlich mit ihm reden?«
»Das müssen wir, Ma’am.«
Beth Gallegos legte ihr Gesicht in die Hände und verharrte mehrere Augenblicke in dieser Stellung. Als sie uns wieder anschaute, war sie blass geworden. »Es tut mir so schrecklich Leid, dass Gavin getötet wurde. Aber ich kann das hier wirklich nicht mehr ertragen. Als Gavin der Prozess gemacht wurde, bin ich vorgeladen worden; es war furchtbar.«
»Als Zeugin auszusagen war unangenehm.«
» Da zu sein war unangenehm. Die Leute, die man in den Korridoren sieht. Die Gerüche, das Warten. Ich hab einen ganzen Tag gewartet und bin überhaupt nicht aufgerufen worden. Gott sei Dank. Es war kein richtiger Prozess, Gavin hat zugegeben, was er getan hat. Später gingen er und seine Eltern an mir vorbei, und seine Mutter sah mich an, als wäre ich an allem schuld. Ich hab Anson nicht mal gesagt, dass ich hinging, weil ich nicht wollte, dass er einen Arbeitstag verliert.« Sie wandte den Blick ab und biss sich auf die Unterlippe. »Nein, das war nicht der wahre Grund. Ich wollte nicht, dass der Fall unsere Beziehung … in Mitleidenschaft zieht. Ich wollte, dass Anson mich für eine starke Frau hält. Bitte, lassen Sie uns in Frieden.«
»Beth«, sagte Milo, »ich habe kein Interesse daran, Ärger in Ihr Leben zu bringen. Und es gibt keinen Grund dafür anzunehmen, dass Sie - oder Anson - tatsächlich tiefer in diese Sache hineingezogen werden. Aber dies ist eine Ermittlung in einem Mordfall, und ich würde meine Arbeit nicht richtig machen, wenn ich nicht mit ihm sprechen würde.«
»Okay«, sagte Gallegos mit kaum hörbarer Stimme. »Ich verstehe … da kann man nichts machen.«
»Wie lautet Ansons Adresse?«
»Wir wohnen zusammen. In seinem Haus. Ogden Drive in der Nähe vom Beverly. Aber er ist nicht zu Hause. Er arbeitet.«
»Wo?«
»Er unterrichtet Kampfsportarten«, sagte sie. »Karate, Taekwondo, Kickboxen. In Florida war er Regionalmeister im Kickboxen; er ist gerade von einem Dojo bei uns in der Nähe eingestellt worden. Auf dem Wilshire in der Nähe von Crescent Heights. Außerdem macht er Jugendarbeit. Am Sonntag, für eine Pfarrei in Bell Gardens. Wir sind beide Christen; wir haben uns auf einer Kirchenparty kennen gelernt. Wir heiraten im September.«
»Herzlichen Glückwunsch.«
»Er ist ein toller Mann«, sagte Gallegos. »Er liebt mich und lässt mir meinen Freiraum.«
18
Ich fuhr nach Osten in Richtung von Anson Conniffs Dojo.
»Gavin hatte eine Frau gefunden, die sein Leben veränderte.«
»Zumindest hat er es so gesehen.«
»Falls wir von der Blondine reden, hat er es richtig gesehen. Warum zum Teufel kann ich nicht rausfinden, wer sie ist?«
Einen Moment später: »Jemand, der Kampfsportarten unterrichtet. Vielleicht kannst du ein bisschen mit deinen - wie heißen sie doch gleich - diese Karatetänze?...«<
»Katas«, sagte ich. »Das ist Jahre her, ich bin nicht mehr in
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