Im Sog der Angst
wem oder was?«
»Zu Leuten, bei denen das anders ist.«
»Sie haben viel für Selbstverteidigung übrig«, sagte Milo.
Conniff machte eine ausholende Armbewegung. »Das hier? Das ist ein Job.«
»Wo waren Sie am letzten Montagabend?«, fragte Milo.
»Jedenfalls nicht unterwegs, um Gavin Quick umzubringen.« Conniff nahm eine entspanntere Haltung ein.
»Angesichts des Themas sind Sie ein wenig unbekümmert, Sir.«
»Wie sollte ich sein? Traurig? Das wäre unehrlich.« Conniff zog seinen schwarzen Gürtel straff und stellte seine Füße etwas weiter auseinander. »Ich trauere um Gavin Quick in demselben Sinn, wie ich um den Verlust jedes Menschenlebens trauere, aber ich werde Ihnen nicht erzählen, dass ich ihn geschätzt habe. Er hat Beth die Hölle auf Erden bereitet. Aber Beth bestand darauf, auf ihre Weise damit umzugehen, und sie hatte Recht. Er hat damit aufgehört, ihr nachzustellen. Ich hatte keinen Grund, ihm wehtun zu wollen.«
»Auf ihre Weise?«, fragte Milo.
»Ihm aus dem Weg zu gehen«, antwortete Conniff. »Den Rechtsweg zu beschreiten. Ich wollte Gavin gegenübertreten - auf verbaler Ebene. Ich dachte, in einem Gespräch von Mann zu Mann könnte ich ihn überzeugen. Beth wollte das nicht, und ich habe ihren Wunsch respektiert.«
»Von Mann zu Mann.«
Conniff fuhr mit den Händen über seine Karatejacke. Sie waren klein und voller Schwielen. »Ja, ich kann fürsorglich werden. Ich liebe Beth. Aber ich habe Gavin Quick nichts angetan. Ich hatte keinen Grund dazu.«
»Wo waren Sie am Montag?«
»Ich war mit Beth zusammen. Wir sind zu Hause geblieben. Selbst wenn Sie mir nicht glauben, sollten Sie Beth glauben. Sie ist alles andere als nachtragend und operiert, spirituell gesehen, auf hohem Niveau.«
»Was haben Sie abends gegessen?«, fragte Milo.
»Wer erinnert sich denn an … mal sehen, Montag, dann waren es wahrscheinlich Reste. Am Sonntag haben wir Steaks gegrillt, und davon ist eine Menge übrig geblieben … ja, eindeutig, Steakreste. Ich hab sie klein geschnitten und mit Paprika und Zwiebeln angebraten. Beth hat ein bisschen Reis gekocht. Ja, ich bin ganz sicher. Wir sind zu Hause geblieben.«
»Sind Sie je in psychotherapeutischer Behandlung gewesen, Mr. Conniff?«
»Warum geht Sie das etwas an?«
»Weil es zur Sache gehört«, entgegnete Milo.
»Nun ja, ich finde die Frage aufdringlich.«
»Tut mir Leid, Sir, aber …«
»Ich werde sie trotzdem beantworten«, sagte Conniff. »Meine ganze Familie machte nach Bradleys Tod eine Therapie. Wir sind alle zu einem wundervollen Mann namens Reverend Dr. Bill Kehoe gegangen, und ich habe ein paar Mal auch allein mit ihm geredet. Er war der Pastor unserer Gemeinde und ein voll qualifizierter klinischer Psychologe. Er hat uns vor der Verzweiflung bewahrt. Gibt es sonst noch etwas, was Sie wissen möchten?«
»War das Ihre einzige Erfahrung mit der Psychotherapie?«, fragte Milo.
»Ja, Lieutenant. Es hat eine gewisse Zeit - eine lange Zeit - gedauert, bis ich keine Schuldgefühle mehr hatte, weil Bradley gestorben war und ich überlebt hatte, aber schließlich war ich so weit. Das Leben ist heutzutage richtig schön.«
Milo griff in seine Tasche und zog das Foto des toten blonden Mädchens heraus. »Haben Sie diese junge Frau schon mal gesehen?«
Conniff musterte das Bild. »Nein. Aber ich kenne den Blick. Ganz und gar tot. Das ist der Blick, der meine Kindheit vergiftet hat. Wer ist sie?«
»Jemand, der neben Gavin Quick gestorben ist.«
»Traurig«, sagte Conniff. »Es gibt immer traurige Dinge auf dieser Welt. Das Entscheidende ist, sich davon nicht beeindrucken zu lassen und ein spirituelles Leben zu führen.«
Als wir wieder im Wagen saßen, ließ Milo Conniffs Namen durch die Datenbanken laufen. Zwei Strafzettel wegen Falschparkens.
»Kein Straftäter, aber ein seltsamer Vogel, nicht?«
»Ziemlich energisch«, sagte ich.
»Der Typ, der sorgfältig sauber macht.«
»Er sagt, dass er mit Beth zusammen war.«
»Ich werde Beth fragen«, sagte er.
»Und ihr Wort wird dir genügen?«
»Wie er sagte, sie operiert auf hohem Niveau.«
Ein Anruf aus dem Wagen ergab die gleiche Geschichte von Beth Gallegos.
Angebratene Steakstücke.
Wir fuhren zum Revier zurück, wo Milo eine gefaxte Zeichnung nach dem Foto der toten jungen Frau und eine Nachricht vorfand, in der er aufgefordert wurde, die Presseabteilung anzurufen.
»Sieh dir das an«, sagte er. »Michelangelo rotiert in seiner Krypta.«
Die Zeichnung war skizzenhaft,
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