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Im Sog der Angst

Im Sog der Angst

Titel: Im Sog der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Form.«
    »Hast du den schwarzen Gürtel gemacht?«
    »Den braunen.«
    »Warum hast du aufgehört?«
    »Ich war nicht wütend genug.«
    »Ich dachte, Kampfsportarten tragen dazu bei, die Wut in den Griff zu bekommen.«
    »Kampfsportarten sind wie Feuer«, erklärte ich. »Man kann damit kochen oder etwas verbrennen.«
    »Na ja, mal sehen, ob Mr. Conniff der schwelende Typ ist.«
    STEADFAST KAMPFSPORTARTEN UND SELBSTVERTEIDIGUNG
    Ein großer Raum mit hoher Decke und Spiegelwänden, der mit blauen Gymnastikmatten ausgelegt war. Vor mehreren Jahren hatte ich Karateunterricht bei einem tschechischen Juden genommen, der in der Nazizeit gelernt hatte, sich selbst zu verteidigen. Ich hatte das Interesse und meine Fertigkeiten verloren, aber als ich das Dojo betrat und den Schweiß und die Disziplin roch, wurden Erinnerungen wach, und ich ertappte mich dabei, wie ich im Geiste die Stellungen und die Bewegungen Revue passieren ließ.
    Anson Conniff war eins dreiundsechzig, wog vielleicht sechzig Kilo, hatte ein jungenhaftes Gesicht, einen muskulösen Körper und lange, strähnige hellbraune Haare mit goldenen Spitzen.
    Surfertyp im Kleinformat. Er trug weiße Karatesachen, einen schwarzen Gürtel und sprach mit lauter Stimme zu einem Dutzend Anfängerinnen. Ein älterer, weißhaariger Asiate teilte uns mit, der Kurs wäre in zehn Minuten zu Ende, und bat uns, auf die Seite zu treten.
    Conniff ließ die Frauen noch ein halbes Dutzend Stellungen einnehmen, bevor er sie entließ. Sie tupften sich die Stirn ab, hoben ihre Sporttaschen auf und gingen zur Tür hinaus, während wir näher kamen.
    Conniff lächelte. »Kann ich Ihnen helfen, meine Herren?«
    Milo hielt ihm sein Abzeichen hin, und das Lächeln verf log.
    »Polizei? Worum geht’s?«
    »Um Gavin Quick.«
    »Ach, der«, sagte Conniff. »Beth hat von ihm in der Zeitung gelesen und es mir erzählt.« Er lachte.
    »Ist irgendetwas daran komisch, Mr. Conniff?«
    »Nicht sein Tod, darüber würde ich nie lachen. Es ist nur komisch, dass Sie mit mir darüber reden wollen - wie in einem Drehbuch für einen Film. Aber ich nehme an, Sie machen nur Ihren Job.« Conniff strich sich Haare aus dem Gesicht.
    »Was soll das heißen?«, fragte Milo.
    »Weil die Vorstellung, dass ich irgendjemanden töte - irgendjemandem wehtue -, absurd ist. Ich bin Christ und damit für das Leben und gegen den Tod.«
    »Oh«, sagte Milo. »Ich dachte, Sie lachen vielleicht darüber, dass Gavin Quick tot ist. Weil er Beth doch ziemlich übel mitgespielt hat.«
    Der Größenunterschied zwischen Milo und Conniff war auffällig. Mithilfe von Karate und anderen Kampfsportarten lernt man, wie man sich die Größe eines Gegners zunutze machen kann, aber in einem bloßen Gespräch war Conniff benachteiligt. Er versuchte ganz gerade zu stehen.
    »Das ist wirklich absurd, Sir. Gavin hat Beth schwer zugesetzt, aber ich würde mich nie darüber freuen, dass er oder sonst irgendjemand stirbt. Ich habe viel zu viele Leute sterben sehen, um mich je darüber zu freuen.«
    »In der Army?«, fragte Milo.
    »In meiner Kindheit, Sir. Mein Bruder wurde mit einer Lungenkrankheit geboren und starb im Alter von neun Jahren. Das war noch in Des Moines, Iowa. Den größten Teil dieser neun Jahre verbrachte Bradley im Krankenhaus. Ich war drei Jahre älter und bin deshalb auch oft in Krankenhäusern gewesen. Einmal habe ich jemanden sterben sehen, den Vorgang an sich. Ein gar nicht so alter Mann war wegen irgendeines Schlaganfalls in die Notaufnahme gebracht worden, und die Ärzte glaubten, sie hätten ihn stabilisiert, und schickten ihn nach oben auf die Station, zur Beobachtung vor seiner Entlassung. Die Pfleger fuhren ihn auf einer Bahre in einen dieser großen Aufzüge, und meine Eltern und ich fuhren zufällig zur selben Zeit in demselben Aufzug, weil wir mit Bradley zur Röntgenabteilung gefahren waren. Der Mann auf der Bahre war sehr nett, er machte einen Witz, dann hörte er einfach auf zu reden, starrte plötzlich ins Nichts, und dann fiel sein Kopf zur Seite, und die Farbe wich aus seinem Gesicht. Die Pfleger begannen auf seine Brust zu schlagen. Meine Mutter legte mir die Hand über die Augen, damit ich nichts sehen konnte, und mein Vater begann ununterbrochen zu reden, hörte nicht auf zu plappern, damit ich nichts hören konnte. Über Baseball, er redete über Baseball. Als wir den Aufzug verließen, war jeder still.« Conniff lächelte. »Ich nehme an, ich habe nicht viel für den Tod übrig.«
    »Im Gegensatz zu

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