Im Sog der Gefahr
ruhig bleiben. Aber der schien vom Team Commander nicht im Mindesten eingeschüchtert. Er lehnte sich zurück, schloss die Augen und streckte die Beine aus.
Sie konnte förmlich sehen, wie Furlong Dampf aus den Ohren schoss.
»Wir versuchen, herauszufinden, ob Professor Edgefield irgendwelche Feinde hatte«, warf Holly ein, um die Spannung aufzulösen.
»Welche Rolle spielt das für Ihre Mordermittlung?« Finn schlug die Augen auf, aufreizend strich sein Blick über ihre Haut. »Wir alle haben Feinde. Und wir alle haben Geheimnisse, oder wussten Sie das noch nicht?« Er kam auf die Füße und sah Furlong direkt in die Augen, als er seinen Coup d’État vollführte. »Ich wette, sogar Sie und Sergeant Rudd haben Geheimnisse.« Furlong öffnete den Mund. Und schloss ihn wieder. Schnell.
Finns Lippen krümmten sich zu einem gemeinen Lächeln, und für einen Augenblick glaubte sie, er würde Furlong die Faust ins Gesicht rammen. Am liebsten wäre Holly im Boden versunken. Ihre Wangen brannten vor Scham. Dass Finn diese intime Information benutzt hatte, um Furlong in die Schranken zu weisen, kam Holly wie der schlimmste Verrat vor. »Nur weil Sie Geheimnisse haben, heißt das noch lange nicht, dass Sie ein Verbrechen verübt haben, nicht wahr?«
Als Furlong ihr einen Vergeltung verheißenden Blick zuwarf, schob Holly den Unterkiefer vor. Nicht sie hatte jemanden hintergangen, sondern
er
.
Sie beschloss, ihren Job zu machen. »Sie haben also keine Ahnung, wer Sie zusammengeschlagen hat?«, fragte sie Edgefield.
Er schüttelte den Kopf. »Ist wahrscheinlich auch ganz gut so, weil Finn demjenigen sonst alle Glieder einzeln ausgerissen hätte.«
»Thom«, rügte Finn ihn sanft.
Edgefields Wangen röteten sich. »Tut mir leid, hab ich ganz vergessen. Ich mache hier meine Scherze, ohne daran zu denken, dass diese Leute mir ausnahmsweise mal glauben könnten.« Sein Gesicht wurde vollkommen ausdruckslos. »So oft habe ich der Polizei Beweise dafür geschickt, dass jemand bei seinem Alibi für Biancas Todeszeitpunkt gelogen haben muss, und nie hat irgendwer auch nur einen Finger gerührt.« Er sah Holly fest in die Augen, bis sie den Blick abwenden musste.
»Ihr Verlust tut mir sehr leid, Professor.« Die Worte kamen von Corporal Messenger, die ruhig neben Holly saß. Die Anfängerin. Die professionellste Polizistin in diesem Raum. »Ich habe in der Schule von diesem Fall gelesen. Das war einer der Gründe, warum ich zur Polizei gegangen bin.«
Offensichtlich entsetzt, blinzelte Thom. »Also gut«, brachte er mühsam hervor. »Vielleicht fangen Sie ein paar Bösewichte, und am Ende kommt doch noch etwas Gutes dabei heraus.« Er rieb sich die Augen.
»Ach herrje.« Furlong verdrehte die Augen und beugte sich näher zu Finn. »Passen Sie lieber auf, wem Sie drohen, Sunnyboy.«
Holly wollte Furlong scharf zurechtweisen, weil er diese Befragung derart verbockte. Aber ihr fiel kein einziges Wort ein, das sie nicht ihren Job gekostet hätte.
»Sie sollten jetzt gehen.« Finns Miene war gelassen, aber tief in ihm spürte Holly einen Zorn, der ihr fast die Haut versengte. Er hielt ihnen die Tür weit auf. Im Vorbeigehen blieb Holly kurz stehen. Als sie seinen Blick auffing, sah sie ein verborgenes Glitzern in seinen blauen Augen. Enttäuschung? Es hätte sie nicht so treffen dürfen. Sie wollte wütend sein. Wollte sich entschuldigen.
Stattdessen nickte sie, wandte sich ab und konzentrierte sich auf den Job, den sie zu erledigen hatte, bevor sie dieses unheimliche kleine Dorf endlich hinter sich lassen konnte.
»Herrgott, Thom! Was zum Geier hast du dir dabei gedacht, sie einfach so reinzulassen?«
»Sie haben mir nicht unbedingt eine Wahl gelassen.« In Thoms Stimme schwang Verärgerung mit.
»Du bist der Direktor des Instituts für Meereskunde. Du hast
immer
eine Wahl, das darfst du nicht vergessen. Nur weil Holly aussieht wie …«
»Holly?«
»Was?«, fragte Finn irritiert.
»Gestern war sie Sergeant Rudd. Jetzt seid ihr beim Vornamen? Wann ist das passiert?«
Finn schwieg und sammelte sich. Sosehr Thom manchmal auch neben sich zu stehen schien, entging ihm doch nur selten etwas. Finn war wütend geworden, als er mit angehört hatte, wie dieses Arschloch Furlong den Mann bedrängt hatte. Mit dieser Art von Rüpel hatte er es schon früher zu tun gehabt, aber bei einem Penner mit Marke kam er mit körperlicher Gewalt nicht viel weiter. Außerdem wollte er sich nicht näher mit diesem seltsamen Gefühl der
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