Im Sog der Sinnlichkeit
ich würde es vorziehen, wenn Sie Ihre Zöglinge nachmittags ausführen. Nach meinen nächtlichen … Ausschweifungen pflege ich mich erst am späten Vormittag zu erheben und würde nur ungern auf diese erbauliche Abwechslung im Park verzichten.“
Damit meinte er natürlich die Mädchen. Aber bei seinem Blick, der sich tief in ihre Augen senkte, ahnte Melisande zum ersten Mal in ihrem Leben den Grund, warum eine Frau sich freiwillig zu einem Mann legen könnte. Mit seiner tiefen betörenden Stimme, dem eindringlichen Blick seiner dunklen Augen, seinen markanten Gesichtszügen war er das Musterexemplar eines Frauenhelden, dieser Spross aus einem Geschlecht Don Juans. Sie spielte mit dem Feuer. Dieser Frauenheld könnte selbst eine Nonne vom Pfad der Tugend abbringen.
Sie rief sich zur Ordnung. Sie war keine Nonne, und er meinte nicht sie. „Meine Antwort darauf lautet: Mylord, es ist besser, sich keinen nächtlichen Ausschweifungen hinzugeben. Den Tag zu früher Morgenstunde zu beginnen, ist heilsam für Körper und Geist.“
Hinter ihrem Rücken nahm sie eine erhebliche Unruhe wahr, die auf deutlichen Widerspruch schließen ließ, und erwartete eine diesbezügliche Bemerkung von Rohan. Stattdessen hielt er den Blick unverwandt auf sie gerichtet, und sie kam sich vor wie ein aufgespießter Schmetterling. Nein, ein grauer Falter, verbesserte sie sich in schonungsloser Ehrlichkeit.
„Die Morgenstunden im Bett zu verbringen, kann für den Körper sehr angenehm sein und vermutlich auch für den Geist“, sagte er mit melodisch tiefer, nahezu unwiderstehlicher Stimme. „Sie sollten es versuchen.“
„Ich bin Witwe, wenn ich Sie daran erinnern darf, Lord Rohan.“
„Das weiß ich, Mylady. Und eine sehr wohlhabende dazu, wie ich höre. Sie sollten sich vor Männern in Acht nehmen, die es darauf abgesehen haben, Sie wegen Ihres Vermögens zu heiraten.“
„Aber Sie brauchen doch kein Vermögen.“
Er zog die Brauen hoch. „Dachten Sie etwa, ich spreche von mir? Ich glaube nicht, dass ich eine besondere Schwäche für Sie erkennen ließ. Zumindest noch nicht.“
Melisande wünschte, der gepflegte Rasen von St. James’s Park möge sich auftun und sie, nein, besser noch diesen unverschämten Viscount Rohan verschlingen.
Wusste er über Wilfred Bescheid? Gütiger Himmel, hoffentlich nicht! Sie hatte diese kurzfristige idiotische Affäre geheim gehalten. Ihr einziger beschämender Fehltritt hatte sie lediglich in ihrem Entschluss bestärkt, sich auf keine Männer mehr einzulassen. Nein, es gab keinen Grund zur Befürchtung, dass ihm dies zu Ohren gekommen sein könnte.
„Was bei Wilfred Hunnicut nicht der Fall war.“ Mit dieser leicht dahingeworfenen Bemerkung machte er ihre törichte Vermutung zunichte. „Wie bedauerlich, dass niemand Sie vor ihm gewarnt hat.“
Bevor sie ihre Fassung wiedererlangte, um ihn in seine Schranken zu weisen, verneigte er sich. „Da meine Begleitung nicht erwünscht ist, verabschiede ich mich, Lady Carstairs. Wir werden uns gewiss wiedersehen, und zwar bald.“
„Nicht, wenn Sie sich von meinen Mädchen fernhalten“, entgegnete sie in aller Aufrichtigkeit.
Ein feines Lächeln umspielte seine Lippen. „Und wenn ich nicht den Wunsch habe, mich von Ihnen fernzuhalten, Teuerste?“
6. KAPITEL
A lles in allem war Benedick zufrieden mit sich, es dieser anmaßenden Lady Carstairs ordentlich heimgezahlt zu haben, die sich ungebeten in seine Angelegenheiten einmischte. Über ihr entsetztes Gesicht hätte er beinahe laut aufgelacht. Und dann war sie mit ihrer Schar bekehrter Sünderinnen im Laufschritt aus dem Park gestürmt. Sir Thomas Carstairs war offenbar ein noch übleres Scheusal gewesen, als ihm nachgesagt wurde, wenn man bedachte, welchen Ekel er ihr vor Männern eingeflößt zu haben schien.
Er fragte sich, ob die bedauernswerten Mädchen gezwungen waren, sich stundenlang ihre Moralpredigten anzuhören. Auch wenn sie alle Männer verabscheute, würde sie eines Tages wieder heiraten. Sie war zu jung und zu ansehnlich, um als alte Jungfer zu enden. Früher oder später würde sie einem Glücksritter ihr Jawort geben, der allerdings einen hohen Preis bezahlen müsste. Vermutlich würde sie ihn zwingen, ein Gebet zu verrichten, ehe er im Schutz der Dunkelheit zu ihr ins Bett kriechen durfte. Und beim Liebesakt würde sie höchstens das Nachthemd bis zu den Hüften hochschieben.
Mit der Ehrenwerten Miss Pennington erginge es ihm wohl ähnlich. Lady Carstairs hatte wenigstens
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