Im Sog der Sinnlichkeit
Störenfrieden fertig werden, obwohl der Butler kürzlich so jämmerlich versagt hatte, als es ihm nicht gelungen war, diese Lady Carstairs abzuwimmeln, die wie eine Furie in sein Haus gestürmt kam. Aber Benedick fühlte sich gelangweilt und zum Streiten aufgelegt. Vielleicht sollte er nachsehen, wer es wagte, die Ruhe eines Gentleman zu stören.
Die Mühe konnte er sich sparen. Die Tür der Bibliothek wurde aufgerissen, und die Furie stand schwer atmend auf der Schwelle, mit verrutschtem Hut und zornfunkelnden Augen, und einen Moment lang dachte er, es wäre zu einem Handgemenge mit seinem Diener gekommen. Doch schon tauchte Richmond gelassen hinter ihr auf und verkündete völlig unnötig: „Lady Carstairs“, schloss die Tür hinter ihr und überließ ihn seinem Schicksal.
Benedick erhob sich, immerhin hatte er eine ausgezeichnete Erziehung genossen. Er zog lediglich eine Augenbraue hoch. Seit ihrer letzten Begegnung im Park waren mehr als drei Wochen vergangen, und er hatte aufrichtig gehofft, sie sei hässlicher als in seiner Erinnerung. Leider war das Gegenteil der Fall. Melisande, Lady Carstairs, war eine bemerkenswert hübsche Person trotz ihrer unmodischen Kleidung und ihrer grässlichen Schute. „Welch charmante Überraschung“, murmelte er aus reiner Höflichkeit. „Welchem Umstand verdanke ich dieses Vergnügen, Lady Carstairs?“
Im ersten Moment wirkte sie verdutzt. Offensichtlich hatte sie eine Kampfansage erwartet statt tadellose Manieren. Köstlich, dass er sie mit Höflichkeit noch mehr aus der Fassung zu bringen vermochte als mit seinem barschen Sarkasmus.
Sie erwies sich als ebenbürtige Gegnerin und maß ihn feindselig aus verengten Augen. „Ich komme, weil ich Ihre Hilfe brauche“, erklärte sie ohne Umschweife. Sie wirkte nervös, was ihn verwunderte. Er hätte sie nicht für eine Frau gehalten, die vor irgendetwas Angst hatte.
„Ich wäre hocherfreut, Ihnen behilflich zu sein, Lady Carstairs. Wenn Sie allerdings meine Unterstützung erwarten, Frauen zu überzeugen, von ihrem Gewerbe abzulassen, so sind Sie bei mir an der falschen Adresse, fürchte ich.“
Sie seufzte enerviert. „Wollen Sie mir nicht wenigstens anbieten, mich zu setzen? Ich bin den ganzen Weg von Carstairs House gelaufen.“
Er runzelte die Stirn. „Sie hätten die Kutsche nehmen sollen. Zwischen King Street und Bury Street liegt eine anrüchige Gegend. Ich will hoffen, Ihre Zofe und ein Diener warten in der Halle?“
„Ich halte mich selten an lächerliche gesellschaftliche Regeln, Lord Rohan, und habe weder Zofe noch Leibwächter. Im Übrigen war ich zu sehr in Eile.“ Sie wartete nicht länger auf seine Einladung, legte die Schute ab und sank in den Sessel vor dem Kamin.
Benedick war einigermaßen verblüfft. Lady Carstairs war hübscher, als er gedacht hatte. Dunkelblonde, seidig schimmernde Löckchen hatten sich aus ihrem Nackenknoten gelöst und umrahmten ihr ovales Antlitz mit schmaler Nase, vollen rosigen Lippen und strahlend blauen Augen. Ihr hoher Wuchs und ihre üppigen Formen veranlassten ihn, seine frühere Einschätzung zu revidieren. Sie wäre bereits zum Ende dieser Saison wieder verheiratet. Ein kluger Mann würde ihre Ablehnung nicht gelten lassen.
Er bemerkte, dass er sie anstarrte, und fasste sich. „Gewisse gesellschaftliche Regeln bestehen aus gutem Grund. Wenn wir uns länger unter vier Augen in meiner Bibliothek unterhalten, könnte der Eindruck entstehen, ich würde Sie kompromittieren.“
„Unsinn!“, entgegnete sie wegwerfend. „Ich gehöre nicht zu den Frauen, die Ihr Interesse wecken. Es könnte höchstens der Eindruck entstehen, ich würde Sie kompromittieren. Aber seien Sie versichert, von mir haben Sie nichts zu befürchten.“
„Und ich versichere Ihnen, Lady Carstairs, meinem Kennerblick entgeht nichts. Sie unterschätzen Ihre Vorzüge.“
Sie errötete. Charity Carstairs, die Furie der King Street, errötete tatsächlich, wie er befriedigt feststellte. Doch dann fixierte sie ihn mit strengem Blick. „Verschwenden Sie nicht Ihre Zeit, Rohan.“ Sie nannte ihn respektlos nur beim Namen ohne Titel, um ihn in seine Schranken zu weisen. „Gegen hohle Schmeicheleien bin ich immun, und außerdem bin ich keine Närrin. Ich wünsche nur, dass Sie sich von meinen Mädchen fernhalten, denen Sie den Kopf verdrehen könnten. Ich habe ein weit größeres Problem, an dem Sie schon wegen Ihrer Familiengeschichte eine gewisse Mitverantwortung tragen.“
„Ich lehne jede
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