Im Sog der Sinnlichkeit
Verantwortung für die Verfehlungen meines Vaters und Großvaters ab. Zugegeben, die beiden waren Bonvivants der ausschweifendsten Sorte, denen ich nicht das Wasser reichen könnte. Sie glichen Gottheiten im Reich der Lüste, dagegen bin ich nur ein kleines Licht. Ich übernehme lediglich die Verantwortung für meine eigenen Exzesse.“ Und ich wünschte, es wären mehr, fügte er im Stillen in leiser Melancholie hinzu.
Sie wirkte völlig unbeeindruckt. „Und darauf sind Sie wohl auch noch stolz, wie?“
Er wurde einer Antwort enthoben durch das Erscheinen von Richmond, der Tee servierte, dazu Biskuitgebäck vom feinsten Teeservice seiner Mutter, das nur zu besonderen Gelegenheiten aus der Vitrine geholt wurde. Offenbar fand Lady Carstairs aus einem unerfindlichen Grund Anklang bei seinem Butler, obgleich er mit Sicherheit ihren unangemeldeten Besuch missbilligte, denn Richmond legte höchsten Wert auf tadelloses Benehmen. Es musste ein anderer Grund vorliegen, der ihn dazu bewog, diesen schockierenden Bruch der Etikette zu billigen.
Lady Carstairs übernahm das Eingießen, wie es einer Dame gebührte, und Benedick freute sich, dass sie wenigstens dieses Ritual in ihrem Eifer als Wohltäterin nicht vergessen hatte. Er nahm seinen Tee ungesüßt mit Zitrone und lehnte sich mit der Tasse in der Hand in den Sessel zurück. Sie gab reichlich Zucker und Sahne in ihren Tee, bis vom Teearoma nichts mehr übrig war. Lady Carstairs hatte also eine Schwäche für Süßigkeiten und schien damit nicht allen sündigen Verlockungen widerstehen zu können.
Sie nahm ein Biskuit, knabberte daran und verspeiste es dann mit sichtlichem Genuss. Er wartete in aller Ruhe. Dies war das Interessanteste, was ihm seit Wochen widerfuhr, eigentlich seit er ihr im Park begegnet war. Schade, dass Brandon letzte Nacht nicht nach Hause gekommen war. Andererseits war nicht vorherzusehen, wie er auf ihren Besuch reagieren würde. Früher hätte Brandon sich amüsiert und sich angeregt mit ihr unterhalten. Heute hätte er ihr vermutlich keine Beachtung geschenkt.
Nein, es war besser, wenn er nicht auftauchte.
Lady Carstairs nahm ein zweites Biskuit, was ihr nicht zu verdenken war. Er beschäftigte ausgezeichnetes Küchenpersonal, obwohl er selbst sich nichts aus Süßigkeiten machte.
Offenbar hatte sie bemerkt, dass er sie beobachtete; sie betupfte mit der Serviette ihre Mundwinkel, lehnte sich zurück und holte tief Atem. „Ich komme wegen der Umtriebe des Satanischen Bundes.“
7. KAPITEL
B enedick sah sie lange an, während er seine Gedanken ordnete. „Ich könnte Sie fragen, woher Sie überhaupt von der Existenz dieser Geheimloge wissen, nehme allerdings an, dass Sie von Ihren Schützlingen davon erfahren haben. Soweit ich weiß, hat der Satanische Bund sich vor Jahren aufgelöst. Selbst wenn er noch existieren sollte, dürfte Sie das kaum interessieren, es sei denn, Sie haben neuerdings auch noch den Wunsch, gelangweilte Aristokraten von ihren sündigen Neigungen abzubringen.“
Sie blieb ungerührt. „Der Bund existiert wieder. Vor zehn Jahren gab es offenbar einen unerhörten Eklat, worauf die meisten Mitglieder das Interesse verloren haben, aber seit etwa drei Jahren finden diese Treffen wieder statt, und ihre Exzesse sind wüster denn je.“
Die meisten Damen der Gesellschaft hatten keine Ahnung, was im Satanischen Bund vor sich ging, es sei denn, sie beteiligten sich an diesen Festen. Erstaunlicherweise hatten sich damals einige Gattinnen und Schwestern der Mitglieder dem Satanischen Bund angeschlossen, wodurch weniger Gespielinnen aus dem Dirnenmilieu nötig waren. Er selbst hatte in seiner Jugend an einigen Treffen teilgenommen, mehr aus Neugier, und er hatte das theatralische Brimborium höchst lächerlich gefunden.
„Vielleicht haben Sie die Güte, nähere Angaben zu machen. In welcher Form unterscheiden sich diese Treffen heutzutage?“ Er hoffte, sie wieder zum Erröten zu bringen, diesmal tiefer als bis zum Ausschnitt ihres unmodischen Kleides.
Aber er hatte sie unterschätzt. „Meinen Erkundigungen zufolge herrschte früher in dieser Loge das ungeschriebene Gesetz gegenseitiger Übereinkunft. Alle Beteiligten an sittenlosen Handlungen mussten sich damit einverstanden erklären.“
„Von welchen sittenlosen Handlungen sprechen Sie?“, fragte er liebenswürdig.
„Von solchen, die Sie im Begriff waren, von Violet Highstreet zu verlangen“, antwortete sie ungerührt.
„Um der Wahrheit die Ehre zu geben, war sie
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