Im Sog der Sinnlichkeit
Laufbursche und finde Ihre … Schützlinge amüsant, eine reizende Abwechslung.“ Er warf einen Blick über die Schulter und erntete mehrstimmiges verhaltenes Kichern. „Sie kommen mir vor wie eine Schar hübscher Gänschen.“
„Schnatternde Gänschen!“, ergänzte Melisande leicht gereizt. „Und sobald ein gut aussehender Mann auftaucht, verwandeln sie sich in aufgeregt flatternde Hühner.“
„Danke für das Kompliment, Lady Carstairs“, erwiderte er lächelnd, und sie hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. „Vielleicht bereuen die Mädchen es sogar, den parfumgeschwängerten Boudoirs von Mrs Cadburys Etablissement den Rücken gekehrt zu haben.“
„Wollen wir sie fragen?“, entgegnete Melisande kühl, und bevor er reagieren konnte, wirbelte sie zu den zwölf Mädchen herum. „Meine Damen?“ Sie erhob die Stimme. „Viscount Rohan interessiert sich für unser soziales Experiment. Er ist der Meinung, ihr bereut eure Entscheidung und würdet lieber zu eurem früheren Gewerbe zurückkehren, sei es in Emma Cadburys Etablissement oder anderswo. Was sagt ihr dazu? Wollt ihr lieber dorthin zurück, wo ich euch aufgesammelt habe? Raffaella?“
„Nein, Mylady“, antwortete Raffaella ohne zu zögern.
Die anderen Mädchen stimmten ihr zu, und Melisande wandte sich wieder mit einem liebenswürdigen Lächeln an Rohan. „Natürlich könnten sie lügen aus Angst vor meinem tyrannischen Regiment. Ich nehme allerdings an, sie meinen es ernst. Das Leben einer Prostituierten ist kein Honiglecken, Mylord. Es ist eine Welt aus Krankheit und Hoffnungslosigkeit. Sie sind gezwungen, sich auf den Rücken zu legen für Männer, die sie nicht kennen, die ihre lüsternen, meist abartigen Triebe an ihnen befriedigen. Sie altern vorzeitig und enden auf der Straße. Die meisten sterben in Not und Elend, bevor sie vierzig sind, an Geschlechtskrankheiten, vor Hunger oder durch Unfälle und Mord.“
In seinen Augen glomm ein seltsamer Funke. „Tatsache ist aber auch, Lady Carstairs, dass in den meisten Bordellen Frauen ihrem Gewerbe nachgehen, die keineswegs am Ende sind.“
Sie hielt seinem Blick stand. „Vermutlich haben Sie recht. Meine Vertraute und Freundin, Emma Cadbury, bemühte sich aufrichtig, das Schicksal dieser bedauernswerten Frauen zu erleichtern. Ein Leben lang die Beine für Männer breit zu machen, halte ich keineswegs für empfehlenswert.“
„Sie waren doch verheiratet, wie ich höre.“
„Ich glaube kaum, dass Sie das interessieren dürfte.“
„Mich würde lediglich interessieren, ob eine Witwe alle Variationen der Freuden des Liebesaktes kennengelernt hat. Oder war Sir Thomas nicht fähig, seine ehelichen Pflichten zu erfüllen? Soweit ich informiert bin, handelte es sich um eine ungewöhnliche Verbindung: Eine junge Frau heiratet einen reichen alten Mann. Dieser Umstand könnte Sie auf eine Stufe mit Ihren charmanten Schützlingen stellen. Sexuelle Gunst gegen finanzielle Vergütung.“
Er hatte es darauf abgesehen, sie zu erzürnen, was ihm beinahe gelang, obwohl sie sich durch nichts so schnell aus der Fassung bringen ließ. Melisande bot ihm die Stirn. „Wollen Sie damit zum Ausdruck bringen, dass alle Frauen, die sich den Regeln der Gesellschaft beugen, Huren sind? In diesem Punkt widerspreche ich Ihnen gar nicht. Und obgleich ich Ihnen keine Antwort darauf schuldig bin: Sir Thomas erfüllte sehr wohl seine ehelichen Pflichten, allerdings auf anständige und respektvolle Weise, was kaum irgendwelche … Variationen zuließ.“ Wieso in aller Welt rede ich mit diesem Mann über derlei Intimitäten? fragte sie sich verwirrt.
„Wie schade.“
Er konnte es nicht lassen, sie zu provozieren, um ihr eine ungebührliche Antwort zu entlocken. „Dies ist kein geeignetes Gesprächsthema“, sagte sie und bemühte sich, liebenswürdig zu klingen, was ihr nicht recht gelingen wollte. „Entschuldigen Sie, mein Eifer für meine Aufgabe lässt mich gelegentlich die Beherrschung verlieren. Ihrer Verlobten können Sie versichern, dass wir uns in Zukunft bemühen, sie mit unserer Anwesenheit nicht zu beleidigen. Wir verlegen unsere Spaziergänge auf den Vormittag.“
Verflixt, dachte sie, nun weiß er, dass ich mich über ihn erkundigt habe. Sie machte sich auf seine spöttische Bemerkung gefasst, doch er ließ die Gelegenheit verstreichen, absichtlich, wie sie vermutete, und mit Sicherheit nicht für immer.
„Miss Pennington ist nicht meine Verlobte“, korrigierte er sie höflich. „Und
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