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Im Sog der Sinnlichkeit

Im Sog der Sinnlichkeit

Titel: Im Sog der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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ihrer ehemaligen Erzieherin und jetzigen Schulleiterin in Carstairs House, die Mädchen auf ihrem täglichen Spaziergang zu begleiten. Im Green Park erregten die Mädchen allerdings zu großes Aufsehen, in dem außerdem zu viele männliche Müßiggänger flanierten, deshalb hatte Melisande St. James’s Park gewählt.
    Das erwies sich als keine gute Entscheidung. Die Mädchen bewegten sich in ihren strengen schlichten Kleidern auf eine frivole Art, als stolzierten sie wie früher in den gewagten Kleidern der Halbweltdamen durch die Gegend, und führten Melisande erneut vor Augen, dass Verführung nichts mit freizügigem Dekolleté oder Schönheit zu tun hatte, sondern mit der inneren Einstellung. Da ihr nicht der Sinn nach Verführung stand, ergab sich für sie natürlich keine Gelegenheit, dieser Theorie auf den Grund zu gehen.
    Die Mädchen tänzelten hüftschwingend die Parkwege entlang, ohne sich Melisandes Ermahnungen zu Herzen zu nehmen, auch wenn sie ihre Wohltäterin schätzten und liebten. Zu allem Überfluss hatte auch Viscount Rohan sich entschieden, ausgerechnet heute einen Ausflug in den Park zu unternehmen.
    Emma hatte ihr in den letzten Tagen eine Menge Klatsch über den Mann erzählt, ohne sich von Melisandes Einwänden, nichts davon hören zu wollen, beirren zu lassen. Sie wusste von seinen zwei verstorbenen Ehefrauen, seiner Verlobten, die sich in jungen Jahren erschossen hatte, und von seiner momentanen Suche nach einer geeigneten Ehefrau, wobei die Ehrenwerte Dorothea Pennington offenbar an erster Stelle stand. Melisande hatte einiges über seine dekadente Familie erfahren, eine Dynastie von Lebemännern und Freidenkern, von seinem Landsitz in Somerset und peinlicherweise auch über seine angeblichen Qualitäten im Bett. Nicht, dass Emma selbst je Erfahrungen mit ihm gemacht hätte, wie sie beteuerte, aber die Mädchen in ihrem Haus hatten darüber geredet. Und in solchen Gesprächen wurde den Herren höchst selten Lob gezollt. Über Benedick Rohan aber wurde geradezu ehrfürchtig gesprochen.
    Was Melisande keineswegs interessierte. Sie wollte Emmas Enthüllungen nicht hören, und sie wollte keinen Gedanken an den Mann verschwenden, dessen dunkle Augen sie mit so kalter Abneigung taxiert hatten. In den letzten zwei Tagen schien Emma ihn vergessen zu haben, und auch Melisande hatte ihn aus ihren Gedanken verbannt. Zu ihrem Bedauern erkannte sie jedoch sogleich seine hochgewachsene, schlanke Gestalt, die sich vertraulich der hageren Dorothea Pennington zuneigte.
    Melisande hatte gehofft, er sei zu sehr ins Gespräch mit seiner Favoritin vertieft, um sie zu bemerken. Die Mädchen hatten ihn mit ihrem untrüglichen Gespür für wohlhabende und gut aussehende Männer allerdings augenblicklich entdeckt, und Melisande hatte sie zur Eile angetrieben, ihr Gesicht abgewendet und im Stillen gefleht, er möge den Park verlassen haben, wenn sie mit ihrer Schar von ihrem strammen Marsch um den Kanal zurückkehrte.
    „Lady Carstairs“, jammerte eines der Mädchen hinter ihr keuchend, „können wir nicht etwas langsamer gehen? Ich krieg kaum noch Luft.“
    „Unsinn“, erklärte Melisande und beschleunigte ihre Schritte. „Uns geht es um Körperertüchtigung an der frischen Luft, nicht um angeregte Plauderei.“
    „Können wir nicht beides haben?“, fragte Raffaella, und Melisande verspürte einen Anflug von schlechtem Gewissen. Raffaella, Tochter eines italienischen Seemanns und einer irischen Dirne, hinkte leicht wegen eines komplizierten und schlecht verheilten Beinbruchs. Ihr Zuhälter hatte ihr mit dem Handrücken brutal ins Gesicht geschlagen, sie war rückwärts getaumelt und wäre beinahe unter die Räder von Melisandes Kutsche geraten. Allerdings eilte Raffaella inzwischen mühelos die Treppe in Carstairs House hinauf. Deshalb verlangsamte Melisande ihr Tempo nur geringfügig.
    „Uns liegt auch nicht daran, Männerbekanntschaften zu machen“, verkündete sie.
    „Wenn sie sich darin nur nicht irrt“, brummte eine Nachzüglerin, doch Melisande überhörte die Bemerkung.
    „Zu Hause erwarten uns Tee und frisch gebackener Kuchen“, erklärte sie munter, um ihre Schützlinge bei Laune zu halten.
    „Hmm, von diesem Leckerbissen würde ich auch gerne kosten“, sagte ein anderes Mädchen und schaute an Melisande vorbei über deren Schulter. Melisande beschlich eine böse Ahnung. Bitte, flehte sie innerlich, lass ihn mit seiner bigotten Miss Pennington gegangen sein.
    Dabei wusste sie genau, wer

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