Im Sog der Sinnlichkeit
irgendwelchen Spelunken um die Ohren schlug.
„Woher haben Sie diese Informationen?“, fragte er schroff.
„Das sagte ich Ihnen bereits. Ein Mädchen, dem die Flucht gelang, wandte sich an uns. Es berichtete über diese Vorfälle, und seither bemühen wir uns, weitere Einzelheiten zu erfahren. Die Teilnehmer an den Orgien sind verkleidet und tragen Kapuzen, erzählte die junge Frau. Aber Ihr Bruder war leicht zu erkennen. Die Halbmaske verdeckt seine Gesichtsnarben nicht völlig, und er hat einen hinkenden Gang. Sie hat auch ein paar andere erkannt, nicht aber den Anführer, der das Ganze organisiert. Und nun ist sie spurlos verschwunden, hat ihre kleine Schwester zurückgelassen, und ich habe die schreckliche Befürchtung, dass sie nicht mehr lebt.“
Ihre anfänglichen Beschuldigungen hatte er als blühenden Unsinn abgetan, doch nun fasste er zusammen, was sie ihm erzählt hatte, und zog in Erwägung, dass ihre Worte doch nicht den Hirngespinsten einer Fanatikerin entsprungen sein könnten. Sie machte auch keineswegs diesen Eindruck. Mit ihren eindringlichen blauen Augen und dem entschlossenen Zug um den Mund wirkte sie zwar aufgebracht, aber dennoch vernünftig. Eine moderne Ausgabe von Boadicea, der mutigen Anführerin eines Keltenaufstands gegen die Römer im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Eine keltische Königin, eine Kriegerin, die all das verkörperte, was die Welt am schwachen Geschlecht verabscheute.
Benedick hätte sich allerdings niemals dazu verstiegen, Frauen als schwaches Geschlecht zu bezeichnen. Er war sein ganzes Leben von starken Frauen umgeben gewesen, angefangen bei Mutter und Schwester, und er wusste genau, wann es ratsam war, den Kopf einzuziehen und sich aus dem Staub zu machen.
Dies war allerdings der falsche Zeitpunkt, die Flucht zu ergreifen. „Nun gut“, sagte er. „Was soll ich tun?“
8. KAPITEL
M elisande blinzelte. Sie hatte sich auf einen Kampf vorbereitet, am Ende mit einer Niederlage gerechnet und ihn dennoch aufgesucht, da sie keinen anderen Ausweg mehr sah. „Als Nächstes?“, fragte sie verblüfft und räusperte sich. „Zunächst müssen wir einen Plan ausarbeiten.“
Viscount Rohan beobachtete sie aus halb geschlossenen Augen, um den Ausdruck darin vor ihr zu verbergen. Einerlei, dachte sie. Er sah gut aus, aber alle Rohans sahen umwerfend gut aus. Selbst der Jüngste, Brandon Rohan, war von einer verwegenen Schönheit, die durch die vernarbte Gesichtshälfte noch unterstrichen wurde.
Nicht, dass sie sich von einem gut aussehenden Mann beeindrucken ließe. Ihr Gemahl war dreiundfünfzig Jahre älter gewesen als sie und bereits ein kranker Mann, als sie geheiratet hatten. Ihr einziger törichter Fehlgriff, Wilfred, hatte durchschnittlich gut ausgesehen, allerdings war er nicht zu vergleichen mit der ebenmäßigen Schönheit von Benedick Rohans markant geschnittenem Profil. Wäre sie noch unerfahren und sehr jung, dann könnte sie von einem solchen Mann träumen. Aber sie war eine erwachsene Frau, absolut unempfänglich für männliche Ausstrahlung, und ihr Bedarf an Männern war für immer gedeckt.
„Nun, ich nehme an, Sie haben sich bereits einen Plan zurechtgelegt“, sagte er, und seine tiefe Stimme jagte ihr ein Prickeln über den Rücken.
Im Begriff, sich noch ein Biskuit zu nehmen, stellte sie fest, dass die Platte leer gegessen war, und schenkte sich stattdessen lauwarmen Tee nach. „Wenn ich einen Plan hätte, würde ich selbst weitere Schritte unternehmen“, entgegnete sie in einem Anflug von Sarkasmus. „Ich machte mir keine großen Hoffnungen auf Erfolg mit meiner Bitte an Sie, aber ich habe stets auch um aussichtslose Belange gekämpft.“
„Sie kämpfen gegen Windmühlen, Lady Carstairs? Und wünschen mich als Sancho Panza an Ihrer Seite? Ich bin mir nicht sicher, ob ich an einer Neuauflage von ‚Don Quijote‘ interessiert bin. Die Geschichte endet böse.“
„Das Leben endet böse. Im Übrigen haben Sie nie den Eindruck erweckt, besonders optimistisch zu sein.“
„Ich habe nie den Eindruck erweckt, besonders optimistisch zu sein?“, wiederholte er spöttisch. „Kennen wir uns von früher? Sollte ich das vergessen haben?“
„Sie würden sich kaum an jede junge Debütantin erinnern. Ich wurde im Jahr Ihrer Vermählung in die Gesellschaft eingeführt. Ich erinnere mich an Ihre Gattin. Sie war eine sehr schöne Frau.“
„Welche?“
Sie hatte vergessen, dass er zweimal verwitwet war. Und dann gab es noch einen älteren
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