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Im Sog der Sinnlichkeit

Im Sog der Sinnlichkeit

Titel: Im Sog der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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in der vagen Hoffnung, die Dame des Hauses sei plötzlich durch eine schwere Krankheit gezwungen, sich für Monate auf ihr abgelegenes Landgut zurückzuziehen. Dadurch hätte er sich in aller Ruhe seinen lüsternen Ausschweifungen widmen können, unbehelligt von kämpferischen Mannweibern und ihren ungeahnten Verlockungen.
    Das Mädchen, nein, das Kind, das die Tür öffnete, war nicht älter als zwölf, viel zu jung, um eine von Lady Carstairs bekehrten Sünderinnen zu sein. Hoffte er zumindest. Die Kleine musterte ihn wesentlich argwöhnischer, als es ihrem Alter zukam, ehe sie sich entsann, was sie gelernt hatte, ihn bat einzutreten und ihm Hut und Mantel abnahm.
    „Mylady wird Sie in Kürze empfangen“, erklärte sie, immer noch mit einem Blick, als habe sie den Teufel persönlich vor sich. Sie ist eindeutig zu jung, um sich verkauft zu haben, dachte er abwesend und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. Er war kein Ungeheuer und hatte kein Interesse daran, Kindern Angst einzujagen. Lady Carstairs war freilich ein anderer Fall.
    „Lord Rohan.“ Ihre Stimme ertönte vom Treppenabsatz. Er hob den Blick und sah eine völlig Fremde, die anmutig und elegant die Treppe herabkam. Er überlegte kurz, ob er sie kannte. Dann erst wurde ihm klar, dass sie keine stadtbekannte Mätresse, keine Kokotte war, sondern Melisande Carstairs. Ihr dunkelblondes Haar war zu kunstvollen Löckchen hochgesteckt, das Gesicht gepudert, die Wimpern geschwärzt. Er kannte all diese kosmetischen Tricks von seinen Mätressen, und im ersten Moment stieg Zorn in ihm auf. Ihre Abendrobe glich in keiner Weise dem altmodischen Kleid, das er erwartet hatte. Es war eine gewagte Kreation im Stil der neuesten Mode, mit fließend weiten Röcken, das eng geschnürte schulterfreie Mieder so tief dekolletiert, dass die Rundungen ihres üppigen Busens ihm förmlich in die Augen sprangen. Dazu trug sie ein kostbares Smaragdcollier und passende Ohrgehänge. Eine faszinierende Schönheit. Am liebsten hätte er sie bei der Hand genommen, sie in das nächste Zimmer gezerrt, ihr das Mieder aufgerissen und ihre Nacktheit mit heißen Küssen bedeckt. Stattdessen musterte er sie mit finsteren Blicken. Sie hatte schon zu viel Verwirrung in sein Leben gebracht; es brauchte nicht auch noch diese neue glanzvolle Version der altmodischen Lady Carstairs, um ihn in den Wahnsinn zu treiben.
    „Lord Rohan?“, wiederholte sie mit leicht verwundertem Unterton.
    „Wie ich sehe, haben Sie Unterricht bei Ihren Huren genommen“, sagte er schließlich schroff und zugleich peinlich berührt über seine unangebrachte Reaktion. Er benahm sich lächerlich.
    Sie schenkte ihm ein liebenswürdiges Lächeln. „Ja, das habe ich. Und ich finde, die Mädchen haben ihre Sache gut gemacht, nicht wahr? Oder halten Sie es für übertrieben? Ich muss gestehen, ich kann mir kein Urteil erlauben. Aber Mrs Cadbury versicherte mir, ich sehe aus wie eine modebewusste Lady, nicht wie eine Halbweltdame. Aber wenn Sie meinen, ich sollte mich umziehen …?“
    „Mrs Cadbury? Wohnt sie auch bei Ihnen?“
    „Natürlich. Warum Sie das allerdings interessieren könnte, ist mir ein Rätsel.“
    „Die berühmteste Bordellwirtin Londons ist eine Bekannte von Ihnen?“
    „Nein, Lord Rohan. Sie ist meine beste Freundin.“
    Im ersten Moment hielt er ihre Antwort für Sarkasmus. Doch nein, es war ihr voller Ernst. Charity Carstairs begnügte sich nicht damit, ihren guten Ruf mit einer Schar gefallener Mädchen zu ruinieren, nein, sie hatte es darauf angelegt, mit dieser berüchtigten Freundin für immer und alle Zeiten von der Gesellschaft geächtet zu werden.
    Er zog es vor, nicht näher auf dieses Thema einzugehen. Was hätte er auch sagen sollen? Es ging ihn nichts an. Sein Interesse an Melisande Carstairs beschränkte sich darauf, den Wahrheitsgehalt ihrer Behauptungen zu prüfen und herauszufinden, ob sein Bruder etwas damit zu tun hatte.
    Zugegeben, ihre verführerischen Rundungen in dem freizügigen grünen Ballkleid regten seine Fantasie an, aber er wäre ein Narr, sich sonstige Gedanken über sie zu machen. Es kümmerte ihn nicht, wenn sie ihren Ruf endgültig ruinierte.
    „Das Kleid ist perfekt, und Ihr geschminktes Gesicht bemerkt nur ein Kennerblick.“ Er stellte ihr frei, ihre Schlüsse aus seinen Worten zu ziehen. „Wollen wir gehen? Oder haben Sie Ihre Meinung geändert?“
    „Wieso sollte ich meine Meinung ändern?“, fragte sie spitz. „Wir haben eine Mission.“
    „Gott steh

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