Im Sog der Sinnlichkeit
eigentlich? Ihre ruhige Art hatte etwas seltsam Tröstliches … Wenn ihm seine Lüsternheit keinen Strich durch die Rechnung machte.
Allerdings scheint dieser Belang irgendwie in Vergessenheit geraten zu sein, überlegte er. Er war nach London gekommen, um seine Begierden zu stillen, bislang ohne Erfolg. Kein Wunder also, wenn er bei Melisande Carstairs herrlichen Brüsten auf abwegige Gedanken kam.
Wenn er ehrlich war, so hatte er derlei Gedanken bereits gehabt, als sie noch züchtig bedeckt war wie eine Nonne.
„Ich kümmere mich um Lord Elsmere, und Sie ziehen seine Gemahlin ins Gespräch“, erklärte er.
Seine Begleiterin runzelte die Stirn. „Und wann haben wir beschlossen, dass Sie die Leitung dieser Ermittlungen übernehmen?“
„Als Sie mich um Hilfe baten. Das ist meine Welt, Lady Carstairs, eine Welt, der Sie den Rücken gekehrt haben, in der ich mich aber sehr gut auskenne. Und Sie wären eine Närrin, nicht auf mich zu hören. Man kann Ihnen einiges vorwerfen, aber nicht, eine Närrin zu sein, wie mir scheint.“
Sie funkelte ihn finster an, doch dann glättete sich ihre Stirn. Sie wollte sich nicht anmerken lassen, wie sehr sie sich über ihn ärgerte. Ein Fehler ihrerseits, dachte er. Je mehr Widerstand sie ihm bot, desto mehr reizte es ihn, sie aus der Fassung zu bringen.
„Nein, ich bin keine Närrin“, bestätigte sie. Außer, wenn es um seine Person ging, so hoffte er wenigstens. Er fand sie zunehmend verlockend und war nicht in der Stimmung, sich sonderlich dagegen zu wehren.
Die Kutsche hatte angehalten, der Lakai war abgesprungen und klappte das Treppchen herunter. Und irgendwie konnte er sich des Gedankens nicht erwehren, dass es kein Zurück mehr gab.
„Lasst, die Ihr hier eintretet, alle Hoffnung fahren!“ lautete die Inschrift über dem Tor zur Hölle in Dantes Göttlicher Komödie. Und über dem Eingang zu Rabelais’ fiktiver Abtei von Thelema stand geschrieben: „Tu, was du willst!“
Der Wagenschlag wurde geöffnet, und Benedick warf einen Blick auf das Stadthaus von Lord Elsmere und dann auf seine Begleiterin und fragte sich, welches Motto wohl auf die Dame zutreffen mochte.
10. KAPITEL
B enedick, alter Freund!“ Natürlich muss Harry Merton mir als Erster über den Weg laufen, dachte Rohan resigniert. Melisande hatte ihm den Rücken zugewandt, während er ihren Schal dem Dienstmädchen aushändigte, als Harry mit einem breiten Grinsen im dümmlichen Gesicht im Foyer auftauchte. „Du kommst wie gerufen. Hör mal, ich habe einen wahren Leckerbissen für dich. Die Kleine hat ein unnachahmliches Geschick. Du wirst staunen, was sie alles anstellt mit …“
„Guten Abend, Harry“, fiel Benedick ihm hastig ins Wort, ohne eigentlich zu wissen, warum.
Harry blinzelte. Ein Gentleman bewahrte stets Haltung, auch wenn er getrunken hatte. Und nur der leicht verschwommene Blick ließ darauf schließen, dass Harry schon einige Gläser geleert hatte. „Guten Abend“, grüßte auch er ein wenig verdutzt. „Hattest du Glück bei Charity? Also, diesen Acker würde auch ich gerne pflügen, vorausgesetzt, ich schaffe es, ihr die Beine zu spreizen …“
Melisande wandte sich den Herren zu. In ihren blauen Augen blitzte ein gefährlicher Funke, und Harry blinzelte wieder verlegen. „Pardon, alter Junge“, murmelte er. „Ich ahnte nicht, dass eine Dame anwesend ist. Wie dumm von mir. Ich bitte um Verzeihung.“ Er vollführte eine unsichere Verneigung. „Zu Diensten, Ma’am.“
Melisande betrachtete seinen alten Freund lange, und Benedick fürchtete fast, sie würde gleich über Harry herfallen. Doch dann schenkte sie ihm ein engelsgleiches Lächeln und hob ihm ihre behandschuhte Rechte entgegen, über die Harry sich beugte und einen Kuss darauf drückte.
„Darf ich Ihnen meinen alten Freund Harry Merton vorstellen?“, fragte Benedick formvollendet. „Wie er selbst schon bemerkte: Er ist ein Dummkopf, aber ein herzensguter Kerl. Harry, Lady Carstairs dürfte dir ja bekannt sein.“
„Selbstverständlich“, erwiderte Harry automatisch, während er sich aufrichtete. Dann erst sickerten Benedicks Worte in sein Bewusstsein, und er geriet mit einem Ausdruck blanken Entsetzens ins Stolpern. „Ich meine … das heißt … äh …“ Nur unter Aufbietung all seiner Kräfte erlangte er seine Fassung wieder. „Ich kannte Ihren Gemahl, Lady Carstairs. Sir Thomas war ein wunderbarer Mann.“
„Das war er eigentlich nicht“, erwiderte sie, und ihre Offenheit trug nicht
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