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Im Sog der Sinnlichkeit

Im Sog der Sinnlichkeit

Titel: Im Sog der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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elisande betrachtete sich im Spiegel und versuchte, ihre Verlegenheit zu verbergen beim Anblick des tiefen Dekolletés, aus dem sich die Rundungen ihres Busens wölbten. Sie hatte gehofft, der Ruf nach einem Spitzenbesatz sollte dazu dienen, den bereits gewagten Ausschnitt zu kaschieren. Aber die Mädchen, die das Schneiderhandwerk erlernten, hatten den Ausschnitt noch tiefer gesetzt und der Spitzenbesatz diente nur als modischer Zierrat, nicht der Sittsamkeit.
    Gütiger Himmel, Viscount Rohan würde sie in einer halben Stunde abholen, und sie fühlte sich jetzt schon erhitzt!
    Man hatte an ihr herumgezupft und – gezerrt, ihre Haut gebleicht und gecremt, ihr hüftlanges Haar zu kunstvollen Lockengebilden hochgesteckt, ausgebürstet und wieder hochgesteckt, bis die fünfzehn Frauen sich endlich über ihr gelungenes Werk einig waren. Man hatte sie in ein Unterhemd aus hauchdünner Seide gezwängt, in ein schimmerndes Korsett geschnürt, in dem sie kaum atmen konnte. Dann folgten unzählige Unterröcke, kein einziger aus ihrer Wäschekommode, und alle wesentlich kostbarer als ihre eigenen Unterröcke aus haltbarer Baumwolle. Natürlich hatten die Mädchen sich nicht von ihrer aufwendigen Garderobe getrennt, ihrem einzig wertvollen Besitz, als Melisande sie aufgenommen hatte.
    Die goldbestickten Tanzschuhe gehörten der dünnen Polly, die Seidenstrümpfe stammten aus Hettys Truhe, und Emma hatte ihren Silberschal beigesteuert. Die spitzenbesetzten Unterhosen waren nie getragen worden. Die Mädchen hatten sie ganz hinten in Melisandes Schrank gefunden. Zu Beginn ihrer später gescheiterten Liebesaffäre hatte sie sich die frivole Unterwäsche liefern lassen und war zu sparsam gewesen, um sie wegzuwerfen, nachdem sie festgestellt hatte, dass Wilfred ein Windhund war.
    „Niemand wird meine Unterhosen zu sehen bekommen!“, zischte sie entrüstet, als Emma sie gezwungen hatte, sie anzuziehen. „Schon gar nicht Lord Rohan.“
    „Man kann nie wissen“, wandte Violet ein. „Er könnte Sie ja dazu überreden.“
    „Wohl kaum!“, kicherte die lange Jane. „Mylady ist viel zu klug, um die Beine für einen wie ihn breit zu machen, auch wenn er noch so gut aussieht.“
    „Und er sieht wirklich umwerfend gut aus“, piepste Violet seufzend.
    Die anderen Mädchen bestätigten dies mit großem Gekicher, und Melisande musterte sie der Reihe nach mit strafenden Blicken. „Grundgütiger, hat er mit euch allen geschlafen?“
    Sukey grinste verschmitzt. „Und nach dem ersten Mal hätte er uns alle umsonst haben können, Mylady.“
    „Kinder, Kinder, das ist kein Gesprächsthema“, ermahnte Emma die schnatternde Gänseschar. „Du siehst entzückend aus, meine Liebe. Schade, dass wir keinen passenden Schmuck für dich haben.“
    „Den haben wir“, meinte Hetty und hielt eine schwarze Samtschatulle hoch. „Meine Sicherheit fürs Alter. Aber ich borge Ihnen den Schmuck gerne. Ein Geschenk des Earl of Selfridge. Er sagte, er stammt aus dem Familienerbe. Seine Taschen waren leer, aber er wollte mir etwas zum Abschied schenken.“
    Emma hatte ihr die Schatulle abgenommen und geöffnet und ließ einen wenig damenhaften langgezogenen Pfiff hören. „Ausgezeichnet, Hetty. Du bekommst ihn natürlich wieder.“
    Das Smaragdcollier war die perfekte Ergänzung zu Melisandes umgearbeitetem Abendkleid. Die passenden Ohrgehänge schwangen knapp unter den hochgesteckten Löckchen. Ihre blauen Augen wirkten noch strahlender unter dem Kranz langer, leicht geschwärzter Wimpern, und der Hauch Reismehlpuder ließ ihren Teint transparent schimmern.
    „Den Schmuck kann ich nicht tragen!“, erklärte Melisande, während Entsetzen in ihr aufkeimte, und wandte sich vom Spiegel ab.
    Ihr Einwand ging in lautstarken Protesten unter. „Du kannst“, erklärte Emma in aller Entschiedenheit. „Es geht um die gute Sache.“
    Melisande schämte sich beim Gedanken an die Frauen, die gezwungen waren, sich an fremde Männer zu verkaufen, nur um zu überleben. Also würde sie diesen Abend überstehen, um ihnen zu helfen.
    „Nun ab mit euch, Mädchen! Geht auf eure Zimmer!“ Emma scheuchte die aufgeregte Gänseschar aus dem Salon. „Ich leiste Lady Carstairs Gesellschaft, bis der Viscount sie abholt.“
    Die Mädchen gehorchten, und die beiden Frauen waren allein. Die Kaminuhr schlug die halbe Stunde, und Melisandes Magen krampfte sich zusammen.
    „Ich gebe dir einen kleinen Tipp“, erklärte Emma verschmitzt lächelnd. „Es ist zwar ein Hurentrick,

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