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Im Sog der Sinnlichkeit

Im Sog der Sinnlichkeit

Titel: Im Sog der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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kleinen Salon bugsiert, in dem die Mädchen sonst Unterricht in gutem Benehmen erhielten. Truhen wurden herbeigeschafft, Kleider und Seidentücher ausgepackt und über Stühle und Sofas geworfen.
    „Nein, dieses Gelb ist grässlich.“ Emma verwarf ein altmodisches Ballkleid, das Violet hochhielt. „Das macht sie zu fahl. Sie braucht ein sanftes Rosa.“
    „Rosa war im Jahr meines Debüts nicht in Mode“, wandte Melisande ein, doch ihr Protest ging im Stimmengewirr unter. Emma hatte das Regiment übernommen.
    „Betsey, lauf in die Küche und lass Wasser aufsetzen. Lady Carstairs braucht ein Bad mit Zusatz von Milch und Zitronenessenz, um ihre Haut aufzuhellen. Melisande, du solltest dich nicht ohne Schirm der Sonne aussetzen. Kein Hut bietet völligen Schutz vor hellem Sonnenlicht.“
    „Tut mir leid“, murmelte Melisande resigniert.
    „Einerlei. Wir machen das Beste draus.“
    „Ich verstehe mich gut darauf, Frisuren zu zaubern“, bot Agnes an, eine Irin mit fuchsrotem Haar, die ihrem Gewerbe in der Gegend von Whitechapel nachgegangen war. „Eine scheußliche Spitzenhaube kann sie unmöglich tragen.“
    „Ich bin Witwe!“, wandte Melisande erneut ein.
    „Eine Haube trägt sie auf keinen Fall!“, erklärte Emma mit Bestimmtheit. „Du kümmerst dich um ihre Frisur, Agnes. Und Jane, du wirst sie schminken. Aber kleistere um Himmels willen ihr Gesicht nicht mit Farbe zu, wie du es von früher gewöhnt bist. Nur einen Hauch Puder, eine leichte Betonung der Augen und etwas Rouge auf die Wangen.“
    „Ich brauche kein Rouge!“ Auch dieser Protest traf auf taube Ohren. Im Nu schälten eifrige Hände Melisande aus ihrem altmodischen Kleid. Und sosehr sie sich auch dagegen sträubte, so stand sie doch im nächsten Moment in Unterwäsche da.
    „Lady Carstairs, Sie haben eine tolle Figur!“, rief Sukey bewundernd, einst Mätresse eines katholischen Bischofs. „Die kommt ja in Ihren langweiligen Kleidern gar nicht zur Geltung. Ein wunderschöner Busen.“
    Melisande legte schützend die Arme vor die Brust, als eine Wolke raschelnder Seide über ihren Kopf glitt. Ihr blieb keine andere Wahl, als in die Ärmel eines hellgrünen Ballkleids zu schlüpfen, das sie nie getragen hatte, weil ihre Tante es als zu frivol verworfen hatte.
    „Der Ausschnitt muss tiefer sein“, erklärte Emma fachmännisch. „Und wir müssen sie enger schnüren. Die Schleppe wird abgetrennt, so etwas trägt man heute nicht mehr. Und vielleicht ein Spitzenbesatz ans Mieder.“
    „Hier habe ich ein Stück Spitze“, rief die dünne Polly.
    „Dieses Unterhemd ist unmöglich“, verkündete Violet. „Besitzt eine was Durchsichtiges?“
    Die Schar begeisterter Helferinnen lachte schallend. „Wer hätte das nicht? Mal sehen, welches Hemd am besten passt“, rief Hetty in den allgemeinen Jubel. „Und keine Bange, Mylady. Es ist alles frisch gewaschen. Sie bestanden ja darauf, unsere Wäsche gründlich zu waschen, als wir zu Ihnen kamen. Im Übrigen dienten Hemdchen nur zur Zierde. Die verschwanden im Nu.“
    „So etwas kann ich unmöglich tragen!“, protestierte Melisande entrüstet.
    „Du kannst, und du wirst. Es gibt dir Selbstvertrauen und das Gefühl, herrlich sündig zu sein.“ Emma zupfte an dem Kleid. „Du liebe Güte, hast du deine gesamte Garderobe drei Nummern zu groß anfertigen lassen?“
    „Meine Tante war der Meinung, wenn ich ständig Süßigkeiten esse, werde ich dick, und sie wollte, dass mir die Kleider im nächsten Jahr noch passen“, gestand Melisande ein wenig beschämt.
    Emma sah sie streng an. „Unsinn! Hast du weiterhin Süßigkeiten gegessen?“
    „Ich fürchte ja.“
    „Und du hast deine entzückende Figur behalten, genau die richtigen Kurven. Männer lieben Rundungen.“
    „Sie hätten gutes Geld verdient, Lady Carstairs“, verkündete Violet unbefangen. „Die dürren Mädchen kamen immer zuletzt dran.“
    Melisande wusste vor Verlegenheit nicht, was sie sagen sollte.
    „Zeit für dein Bad“, verkündete Emma und schälte sie wieder aus dem Kleid. „Violet und Agnes, Ihr kümmert euch um die Änderungen. Ihr wisst, was zu tun ist.“
    „Ja, Mrs Cadbury! Wir putzen ihre Ladyschaft heraus, dass selbst einem königlichen Duke bei ihrem Anblick der Atem stockt.“
    „Ich lasse mich nicht aufdonnern wie … wie eine Kokotte“, protestierte Melisande wieder vergeblich.
    „Und gebt ihr ein Glas Rotwein“, erklärte Emma und winkte sie aus dem Salon. „Wir haben zu tun.“

9. KAPITEL
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