Im Sog der Sinnlichkeit
mir bei …“, murmelte er und bot ihr den Arm.
Nie zuvor hatte er sich in seiner Kutsche beengt gefühlt. Nun ja, er hatte den Landauer genommen, der kleiner und wendiger für Stadtfahrten war, nicht die große schwere Reisekarosse, die für lange Strecken eingesetzt wurde. Sie saß ihm gegenüber, ein Hauch des Parfums, das sie aufgelegt hatte, wehte ihn an. Ein verführerisch sinnlicher Duft. Hatten alle Mächte des Schicksals sich gegen ihn verschworen, um ihn auf die Folter zu spannen?
An diesem kühlen Frühlingsabend war es um diese Stunde noch hell genug, um seine Begleiterin deutlich zu sehen. Der Seidenschal, den sie um die Schultern gelegt hatte, würde sie bald frösteln lassen.
Sie wirkte beherrscht wie immer, dennoch spürte er ihre innere Spannung. Er lehnte sich in die verschatteten Polster zurück, um sie ungestört betrachten zu können, und heftete den Blick auf ihr tiefes Dekolleté. Er glaubte beinahe, ihren Puls unter der hellen zarten Haut pochen zu sehen. Sie gab sich gelassen, war aber sichtlich nervös, und er fragte sich, warum.
„Ich schlage vor, wir geben uns den Anschein, gute Freunde zu sein“, sagte sie unvermittelt. „Andernfalls würde meine Anwesenheit merkwürdig wirken.“
„Das glaubt uns kein Mensch. Man wird uns für ein Liebespaar halten“, erwiderte er gedehnt.
Ein rosiger Hauch überflog ihre zarten Wangen. „Niemand, der mich kennt, würde davon ausgehen.“
„Aber wer sollte Sie schon kennen? Als barmherzige Wohltäterin meiden Sie doch gesellschaftliche Anlässe.“
„Wäre das nicht Grund genug, mich für eine Frau zu halten, die sich nicht auf eine Liebelei einlässt?“
„Gewiss. Einer Liebelei, wie Sie es nennen, ist leicht aus dem Weg zugehen. Aber einer leidenschaftlichen Affäre kann man nur schwer widerstehen. Und man kennt mich. Man wird unterstellen, Sie hätten sich Hals über Kopf in mich verliebt, sind von Ihrem Podest der Unnahbarkeit gestürzt und direkt in meinem Bett gelandet. Zumindest für eine gewisse Zeit.“
Er spürte förmlich, wie sie vor Entsetzen den Atem anhielt. „Ich verlasse mich darauf, dass Sie Ihr Möglichstes tun, um diesen Irrtum aufzuklären.“
Er lachte, seine Stimmung hellte sich ein wenig auf. „Ich werde mein Bestes tun, befürchte allerdings, dass meine Beteuerungen nicht fruchten. Wenn Sie mir versprechen, nicht den ganzen Abend an meinem Arm zu hängen und mir bewundernde Blicke zuzuwerfen, gelingt es uns vielleicht, die Gäste davon zu überzeugen, dass wir lediglich eine Vereinbarung getroffen haben, unsere körperlichen Bedürfnisse zu stillen. Auch Heilige dürften solche Bedürfnisse haben, nehme ich an.“
„Ich bin keine Heilige.“ Ihre Stimme klang schroff. Und er dachte an die Geschichten über Wilfred Hunnicut und ihren kurzfristigen Sündenfall.
„Nein, sind Sie nicht“, sagte er leise und beobachtete, wie ihre schönen Brüste sich hoben und senkten. Sie presste ihre vollen Lippen aufeinander, ihre großen Augen wirkten in der dämmrigen Kutsche wie dunkle Teiche. Und er spürte etwas Merkwürdiges, es war keine Einbildung. Er spürte zu seiner Verwunderung eine Sehnsucht, die beide einhüllte. Charity Carstairs begehrte ihn, vermutlich mit gleicher Heftigkeit, wie sie ihn verabscheute. Und sie hasste sich dafür und lehnte es ab, sich dieses Gefühl einzugestehen. Das war einer der Gründe ihrer Nervosität.
Er lächelte in sich hinein. Vielleicht wurde es doch noch ein vergnüglicher Abend. „Wir sollten uns keine Gedanken darüber machen, was die Leute über unsere Beziehung denken. Sollen sie getrost Spekulationen anstellen. Uns geht es darum, herauszufinden, wer von den Gästen an der Neugründung des Satanischen Bundes beteiligt ist, ob Ihre Verdächtigungen begründet sind, und wenn ja, wann und wo das nächste Treffen stattfindet.“
„Sollten wir nicht auch herausfinden, ob Ihr Bruder daran beteiligt ist? Oder schenken Sie mir wenigstens in diesem Punkt Glauben?“
„Wenn der Bund tatsächlich wieder existiert, habe ich keinen Zweifel daran, dass Brandon Mitglied ist. Er ist … Er ist ziemlich verstört. Der afghanische Krieg hat ihm sehr zugesetzt, und er wurde schwer verwundet. Es wird noch lange dauern, bis er sein inneres Gleichgewicht wiedergefunden hat. Ich kann mir gut vorstellen, dass alles Nihilistische seine Zustimmung findet. Er ist in letzter Zeit verschwiegener als sonst, und ich mache mir Sorgen um ihn.“ Er teilte ihr mehr mit, als nötig wäre. Warum
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