Im Sog der Sinnlichkeit
dazu bei, Harrys Selbstvertrauen zu stärken.
Benedick beschloss, ihm den Gnadenstoß zu versetzen. Er legte Melisandes Hand in seine Armbeuge und zog sie in einer vertraulichen Geste an seine Seite. „Du entschuldigst uns, nicht wahr, Harry? Melisande stirbt vor Hunger, und ich habe ihr versprochen, sie mit Leckerbissen zu verwöhnen.“ Er spürte, wie sie sich verkrampfte, zog sie aber mit einem maliziösen Lächeln enger an sich. Sie war einfach hinreißend! „Wollen wir uns ins Vergnügen stürzen, meine Liebe?“
Oh, das gefällt ihr gar nicht, dachte er mit Genugtuung. Und sie konnte nichts dagegen ausrichten. Sie konnte sich ihm nicht entziehen, war gezwungen, an seiner Seite die breite Marmortreppe emporzusteigen, seine Körperwärme zu spüren, seine Hand über der ihren, als er sie durch das Gedränge der lärmenden Gäste im großen Empfangssalon der Elsmeres führte. Allerdings errang er nur einen Pyrrhussieg, denn ihre weichen Rundungen, die er an sich drückte, stellten seine Selbstbeherrschung auf eine harte Probe; sie versetzten ihn beinahe ebenso sehr in Unruhe wie sie selbst, stellte er fest, als er ihr zulächelte und ihren unsteten Blick bemerkte.
„Seien Sie unbesorgt“, flüsterte er ihr zu. „Ich werfe Sie nicht zu Boden und bedränge Sie vor aller Augen.“
„Diese Befürchtung habe ich nicht“, entgegnete sie würdevoll und zugleich verletzlich. „Ich halte Sie nicht für einen Grobian, der Gewalt anwendet.“
Sein Lächeln vertiefte sich. „Sie lernen dazu, meine Liebe.“
„Nennen Sie mich bitte nicht so.“
„Es muss sein, fürchte ich. Ich muss an meine Reputation denken. Wenn die Gäste den Verdacht hegen, Sie würden mich aus einem anderen Grund begleiten, erleiden wir Schiffbruch, ehe wir in See stechen.“
„Ich werde seekrank.“
„Ich bin ein erfahrener Seemann. Vertrauen Sie sich mir an, und ich verspreche Ihnen eine ruhige Überfahrt.“ Seine Finger strichen über ihren Handrücken, so sanft, dass sie es vermutlich gar nicht wahrnahm, ebenso wenig wie die doppelte Bedeutung seiner Worte. Aber er hatte sie unterschätzt.
„Sparen Sie sich Ihre Schmeicheleien für den Moment auf, wenn man uns hören kann.“
„Ich werde mich bemühen.“ Er presste seinen Arm seitlich an ihre Brust. Diese Frau steigerte sein Verlangen mehr und mehr, stellte er beunruhigt fest. Im Moment konnte ihn nicht einmal der Gedanke an Violet Highstreet von Charity Carstairs ablenken.
Er hätte längst etwas gegen seine aufgestauten Begierden tun müssen. Die unangenehme Wahrheit aber war, dass er nicht das geringste Interesse an einer der Halbweltdamen hatte. Und auch keine der Witwen oder Gattinnen der vornehmen Gesellschaft, die nichts gegen vergnügliche Leibesübungen mit ihm einzuwenden hätten, konnten ihn in Versuchung führen. Bislang waren seine geplanten Ausschweifungen ein Fehlschlag gewesen, und daran traf Melisande Carstairs die Alleinschuld. Immer wenn er vorgehabt hatte, sich in den willigen Schoß einer Kokotte zu versenken, hatte ihn der Gedanke an ihre strahlend blauen Augen abgelenkt und ein seltsam leeres Gefühl der Unzufriedenheit in ihm hinterlassen.
Er warf ihr wieder einen Blick zu. Ein dunkler sündiger Gedanke ging ihm durch den Sinn und wollte nicht weichen, sosehr er auch versuchte, ihn abzuschütteln.
Am entfernten Ende des großen Saals begrüßten Lord und Lady Elsmere die Gäste. Während sie warteten, bis die Reihe an ihnen war, neigte er sich Melisande zu und flüsterte ihr ins Ohr: „Es steht zu befürchten, dass ich Sie verführen werde, meine Teuerste.“ Er spürte, wie sie sich versteifte. Doch im nächsten Moment wurden sie vom Butler angekündigt. Und die Augen der Creme der vornehmen Gesellschaft richteten sich auf das Paar, und man fragte sich sensationslüstern, was in aller Welt Charity Carstairs, die Heilige der King Street, mit einem der verruchten Rohans zu schaffen hatte.
Lady Elsmere, eine ältliche, stark geschminkte Matrone mit einem Hang zu jungen Männern, begrüßte das Paar mit scharfen Blicken, denen nichts zu entgehen schien. „Gütiger Himmel, Rohan! Wie kommen Sie dazu, ein Nonnenkloster zu überfallen?“
Er lehnte die Stirn an Melisandes Schläfe in einer Geste, die auf Außenstehende wie ein Ausdruck seiner Verliebtheit wirken musste, mit der er aber nur erreichen wollte, dass seine Begleiterin verschämt den Blick senkte. „Keineswegs ein Nonnenkloster, Lady Elsmere“, entgegnete er mit tiefer, sinnlicher
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