Im Sog der Sinnlichkeit
sich mit seinen schwungvollen Schritten im Walzertakt. „Ich muss schon sehr bitten!“, zischte sie und funkelte ihn erbost an.
„So früh schon ein Zank, Rohan?“ Harry Merton grinste süffisant, während er mit einer leicht bekleideten jungen Dame vorübertanzte.
Melisande nahm sich augenblicklich zusammen. Sie mochte Harry Merton nicht, sie mochte Lady Elsmere nicht und Benedick Rohan war ihr ausgesprochen zuwider. Natürlich meinte er seine ungehörigen Schmeicheleien nicht ernst, wollte sie lediglich aus der Fassung bringen, und das war ihm gelungen. Hätte sie die Wahl gehabt, würde sie ihm gegen das Schienbein treten und wortlos den Saal verlassen. Nur der Gedanke an Aileens entstelltes Gesicht hielt sie zurück. Es war lächerlich, sich über die schlechten Manieren einer blasierten Gesellschaft von Nichtstuern aufzuregen, wenn Menschenleben auf dem Spiel standen.
„Lady Carstairs hat ein feuriges Temperament“, antwortete Rohan seelenruhig, während er Merton umrundete. „Sie liebt den Kampf.“
„Und genießt die Versöhnung umso mehr, möchte ich wetten“, erklärte Merton lachend. „Du bist ein Glückspilz, Rohan.“
„Wie wahr“, bestätigte er und suchte ihren Blick. Verwirrt sah sie zu ihm auf. Seine dunklen Augen hatten einen grünlichen Schimmer, umrahmt von dichten schwarzen Wimpern. Kein Wunder, dass er den Ruf eines Frauenhelden hat, dachte sie benommen. Welche Frau könnte dem Bann dieses unverwandten Blicks schon widerstehen? Und plötzlich glaubte sie, sich in seinem Blick zu verlieren und zu schweben …
Und dann hörte die Musik auf. Seine Hand löste sich von ihrer Taille, sie fühlte sich schwindelig, beinahe beraubt. „Sie können ja tanzen“, sagte er mit leiser tiefer Stimme. „Sobald Sie zu aufgebracht sind, um daran zu denken, was Sie tun.“
„Ich war keineswegs aufgebracht“, erwiderte sie honigsüß. „Lediglich verwundert über Ihren guten Geschmack.“
Er lachte belustigt, und einige Gäste drehten sich neugierig nach ihnen um. „Sie sind köstlich, Lady Carstairs. Vielleicht entschließe ich mich, Sie tatsächlich zu verführen und nicht nur damit zu drohen, um Ihnen die Hemmungen zu nehmen, damit Sie gut tanzen.“
Ehe sie wusste, was sie tat, trat sie ihm unter ihren weiten Röcken mit dem Absatz ihres Tanzschuhs heftig auf den Fuß.
Er zuckte leise fluchend zusammen. Melisande erstarrte, erschrocken über sich selbst, und erwartete, dass er sich rächte.
Zu ihrer Verwunderung lachte er nur noch belustigter. „Dafür werden Sie bezahlen“, sagte er so heiter, dass sie sich beruhigte.
Mit einem gleichmütigen Schulterzucken entfernte sie sich. Lady Elsmere hatte sich auf einer vergoldeten Polsterbank abseits des Tanzparketts niedergelassen. Melisande durchquerte den Saal und schenkte Harry Merton, der sich um ihre Aufmerksamkeit bemühte, keine Beachtung; sie nahm neben der Gastgeberin Platz und fächelte sich Luft zu. „Ich bin erschöpft“, hauchte sie. „Lord Rohan ist ein überaus temperamentvoller Tänzer. Ich befürchtete fast, er walzt alle anderen Tänzer in seiner Nähe zu Boden.“
Sie sprach laut genug, dass ihr Begleiter sie hören konnte, aber Rohan schenkte ihr ein mildes Lächeln; nur das Versprechen nach Rache war deutlich in seinen Augen zu lesen.
„Hoffentlich ist er ebenso temperamentvoll, wenn er nicht auf den Beinen ist“, erwiderte Lady Elsmere schmunzelnd. „Ich schätze vitale Männer.“
„Das ist allerdings auch ein wenig anstrengend.“ Melisande weigerte sich, daran zu denken, was genau Lady Elsmere an vitalen Männern schätzte. „Offen gestanden wünschte ich mir gelegentlich, seine … äh … Aufmerksamkeiten würden sich nicht nur auf mich beziehen.“
Lady Elsmere zog ihre dünnen grauen Augenbrauen hoch. „Tatsächlich, meine Liebe? Ich bin entzückt, diese unerwarteten Neigungen an Ihnen festzustellen, da ich Sie bislang für eine eifrige Verfechterin von Sitte und Moral gehalten habe, ja geradezu für eine Heilige.“
Melisande hatte große Bedenken gehabt, wie sie dieses Gespräch beginnen sollte, doch nun wich ihre Beklommenheit. Sie ließ den Blick durch den Saal schweifen und entdeckte Rohan im Gespräch mit Lord Elsmere und zwei anderen ihr unbekannten Herren. Offenbar spürte er, dass sie ihn ansah, denn er hob den Kopf und begegnete ihrem Blick einen endlos langen Moment, ehe er sich wieder seiner Beute zuwandte.
Zumindest hoffte sie, er sehe in seinem Gesprächspartner eine Beute und
Weitere Kostenlose Bücher