Im Sog Des Boesen
die Kontaktaufnahme zu mir so lange gedauert hat.«
»Was soll ich sagen? Sie haben recht.«
»Aber dass ausgerechnet Sie mit Ihrer Verletzung sich an mich wenden, überrascht mich.«
»Sie wissen von der Schießerei?«, fragte Lucas.
»Ja, aus den Fernsehnachrichten. Wie Sie sich vielleicht vorstellen können, interessiere ich mich sehr für den Fall Austin. Noch ein Jahr, und ich wäre Frances’ Stiefmutter gewesen.«
»Hatten Sie einen Schlüssel zum Haus?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Hunter hatte einen zu meinem.«
»Hatte Hunter Ihnen einen Heiratsantrag gemacht?«
»Nein, noch nicht. Wir haben darüber gesprochen; ich vermute, er ist nach Kanada gefahren, um über das Thema nachzudenken. Irgendwann wäre er zu dem Schluss gekommen, dass es die richtige Entscheidung ist. Es wäre lediglich eine Frage der Zeit gewesen.«
»Sind Sie sich sicher?«
»Ja. Alyssa würde das vermutlich nicht glauben - doch Hunter brauchte einfach eine emotionale Beziehung zu jemandem, ein bisschen Wärme. Und die bekam er von ihr nicht. Sie schliefen in getrennten Zimmern und führten getrennte Leben.«
»Entschuldigen Sie die Ausdrucksweise, aber wieso sollte er die Kuh kaufen, wenn er schon die Milch hatte?«
Sie musste lachen. »Sie können von Glück sagen, dass ich Sinn für Humor habe.«
»Sorry.«
»Lügner. Sie versuchen mich zu provozieren.« Martina Trenoff starrte eine Weile in ihren Kaffee und erklärte dann: »Menschen brauchen mehr als nur Sex. Sie unterhalten sich gern beim Essen über die Ereignisse des Tages, über Belanglosigkeiten, darüber, was wer zu wem gesagt hat oder warum Soundso immer blaue Anzüge trägt. Sie haben ein gemeinsames Leben. Das fehlte Hunter und Alyssa im Gegensatz zu uns.«
»Hm.« Kurzes Schweigen. »Das mag jetzt abgedroschen klingen, aber wo waren Sie in der Nacht, in der Frances ermordet wurde?«, erkundigte sich Lucas.
»Im Büro. Zu dem Zeitpunkt war ich gerade mal eine Woche bei General Mills und musste zusehen, dass ich mich einarbeite.«
»Zeugen?«
Sie neigte den Kopf leicht zur Seite. »Es sind immer Leute unterwegs. Ich sitze in einem Großraumbüro. Bestimmt finden sich Kollegen, die mich an jenem Abend gesehen haben, allerdings nicht in der Lage wären zu beschwören, dass ich die ganze Zeit dort war. Und es sind Kameras installiert, also könnten Sie sich an den Sicherheitsdienst von GM wenden.«
»Die Antwort lautet also: ›Wahrscheinlich keine Zeugen‹, oder?«, sagte Lucas.
»Ja, vielleicht keine Zeugen, aber Videotapes.«
»Wie oft waren Sie im Haus der Austins?«
Sie dachte nach. »Drei- oder viermal. Aus geschäftlichen oder gesellschaftlichen Gründen.«
»Haben Sie je beim Kochen geholfen?«
»Das tue ich grundsätzlich nicht. Und ich weiß auch nicht, wo sie ihre Messer aufbewahren.«
»In der Küchenschublade.«
»So eine Überraschung.«
»Was für ein Name ist das eigentlich: Trenoff?«
»Was denken Sie denn?«
»Kommt er aus dem Russischen?«
»Sie sind wirklich clever.«
Lucas lächelte. »Nicht die erste Generation.«
»Ungefähr die fünfte. Warum?«
»Small Talk, nichts weiter. Ich muss Ihnen doch beweisen, dass ich auch menschlich sein und für die wirklich wichtigen Fragen eine entspannte Atmosphäre schaffen kann.«
»Ich bin entspannt. Schießen Sie los.«
Er musste lachen. »Tut mir leid, ich habe keine wirklich wichtigen Fragen. Gefällt Ihnen die neue Stelle?«
»Ich hasse sie, weil ich noch mal ganz unten anfangen muss. Bei AUS bin ich ohne Umwege ziemlich weit nach oben gekommen, und jetzt muss ich wieder richtig schuften. In zwei Wochen habe ich ein Vorstellungsgespräch bei einem größeren Unternehmen als General Mills, und den Job kriege ich, darauf können Sie Gift nehmen. Dort habe ich dann ein Büro mit Tür.«
»Sie klingen verbittert.«
»Nein, nein. Ich hätte nicht bei AUS bleiben können - was übrigens auch nicht möglich gewesen wäre, wenn Hunter und ich geheiratet hätten. AUS wäre also auf jeden Fall eine Sackgasse für mich gewesen.« Ein Träne rollte über ihre Wange; sie nahm die Brille ab, um sie wegzuwischen. »Wir wollten Kinder; er hätte sich einen Sohn gewünscht. Alyssa hatte Angst vor Schwangerschaftsstreifen und weiteren Kindern. Frances mochte sie wohl auch nicht besonders. Unter Umständen bin ich ihr gegenüber aber auch ungerecht.«
»Ich glaube, sie hat Frances geliebt«, widersprach Lucas. »Vielleicht ein bisschen unterkühlt, nicht so
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