Im Sog Des Boesen
geschriebener Brief, vermutlich von ihr. Leider ist er in dem Graben nass geworden. Das Papier wellt sich, die Schrift lässt sich wegen der zerlaufenen Tinte nur noch im oberen Teil entziffern. Das Schreiben ist an einen gewissen Frank gerichtet; klingt ganz so, als wollte sie darin mit ihm Schluss machen.«
»Gut. Das könnte tatsächlich wichtig sein. Ich wusste noch nicht, dass sie einen Freund hatte. Handelt es sich eindeutig um ihre Schrift?«
»Wir sind ziemlich sicher. In der Handtasche war auch eine Liste, und die Schrift darauf sieht genauso aus. Doch das lassen wir gerade von einem Grafologen prüfen.«
»Hm.«
»Kennen Sie nun einen Frank?«
»Sein Name steht bestimmt irgendwo in meinen Notizen. Ich suche ihn gleich heraus. Der Brief ist in sehr schlechtem Zustand?«
»Ja. Wir haben ihn gebügelt und getrocknet, aber er war einfach zu lange im Wasser. Sogar der entzifferbare Teil ist verschmiert. Offenbar hat sie ihn immer wieder zusammengelegt und auseinandergefaltet, weil sie unsicher war.«
»Ich würde ihn mir gern persönlich ansehen«, sagte Lucas.
»Wenn Sie wollen, kann ich ihn mit hoher Auflösung fotografieren und an Sie mailen lassen. Dann hätten Sie ihn in zwei Minuten und könnten sich die Fahrt sparen.«
»Gern.«
Nach Beendigung des Gesprächs fragte Rose Marie: »Was Neues?«
»Vielleicht. Ich muss zurück ins Büro.«
»Hat Spaß gemacht, Sie wieder mal anzuschreien.«
Auf halbem Weg zum Büro fiel Lucas ein, wo er den Namen Frank schon einmal gehört hatte. Sofort lenkte er den Wagen an den Straßenrand, um den Eintrag in seinem Notizbüchlein zu überprüfen.
Ja: Martina Trenoff hatte ihm den Namen genannt. Frank Willett arbeitete als Trainer in einem von Alyssas Clubs, gehörte zu ihren Liebhabern und beschäftigte sich mit Karate, Radrennen, Freeclimbing und Surfen, einer dieser Typen,
bei denen man nicht weiß, wie sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen, so Martina Trenoffs Worte.
Die letzten paar Kilometer zum Büro zimmerte Lucas sich eine Geschichte über einen Mann ohne Geld, der sowohl eine Erbin als auch deren Tochter, ebenfalls Erbin, bumste.
Die Mutter war ein wenig schräg, glaubte an Astrologie, las vielleicht sogar im Kaffeesatz, präsentierte sich jedoch auch als harte Geschäftsfrau mit mehreren Liebhabern. Vermutlich hatte sie kein Interesse an einer dauerhaften Beziehung mit einem Model/Radrennfahrer/Surfer gehabt.
Vielleicht gefiel ihr der Sex mit ihm, aber langfristig wünschte sie sich wohl eher jemanden mit gesellschaftlichem Status, jemanden, der … gute Schuhe trug. Sie hatte Kidd, den Künstler, erwähnt - der passte perfekt zu ihr. Als Künstler war er mit Sicherheit schräg genug für sie, und seine Werke wurden immerhin in Museen ausgestellt. So einen wollte sie, nicht jemanden, den hauptsächlich Gedanken an seine neue Sonnenbrille beschäftigten.
Die Tochter hingegen, jung, unerfahren, nicht ganz so attraktiv wie die Mutter, ließ sich möglicherweise leichter von einem Muskelpaket mit Surfermentalität beeindrucken.
Und wenn der Typ dann noch aufs Geld aus war …
Lucas entwarf folgendes Szenario: Es kommt zum Streit in der Küche, sie greift nach einem Messer, er entwindet es ihr und ersticht sie damit. Was ihm wohl für ein Truck gehörte? Befand sich daran am Ende sogar Getriebeöl? Für Lucas stand fest, dass der Mann als Surfer, Radrennfahrer und Freeclimber einen Truck besaß.
Oder ein anderes Szenario: Die Tochter findet heraus, dass der Typ sowohl sie als auch ihre Mutter beglückt, und stellt ihre Mom zur Rede, was in einem Streit gipfelt. Eine von ihnen zückt in Wut oder Eifersucht, vielleicht sogar in Notwehr, ein Messer und …
»Endlich«, sagte Lucas laut. Dieser Frank brachte Licht
in die Sache. Es handelte sich also nicht um ein großes kosmisches Geheimnis, sondern um eine gute alte Geschichte um Sex, Liebe, Eifersucht und Hysterie.
Warum die anderen Morde? Weil die Opfer von der Beziehung wussten? War Frank an dem Abend mit dem Ententanz mit von der Partie gewesen?
Lucas dachte eine Weile über Alyssa Austin nach.
Nein, nicht sie. Sie war hart, aber in ihrer Reaktion auf Frances’ Tod hätte sie sich nicht so sehr verstellen können. Alyssa hatte immer noch gehofft, dass Frances am Leben war.
Nein, nicht Alyssa.
Im SKA-Gebäude hastete er die Treppe hinauf, bis sein verletztes Bein zu pochen begann und er fast stürzte. Er humpelte ins Büro, wo Carol ihn fragte: »Was ist denn los?«
Er eilte an den
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