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Im Sommer der Sturme

Im Sommer der Sturme

Titel: Im Sommer der Sturme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gantt DeVa
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einen Gegenstand auf dem Tisch zu fixieren, während John verbissen auf das Kristallglas starrte, das er zwischen seinen Fingern drehte.
    Die Minuten zogen sich in die Länge, und irgendwann war der Hauptgang vorüber. Zum Dessert brachte Felicia ein großes Tablett voll kleiner Kuchen herein. Charmaine lehnte ab, weil ihr der Appetit vergangen war. Paul bat um einen Kaffee, während John sich an den Wein hielt. Doch George nahm sich gleich drei kleine Küchlein.
    »Du Giersack«, bemerkte John.
    Sofort flammte Charmaines Zorn wieder auf.
    »Warum so gute Sachen verschwenden?« Schulterzuckend biss George ein großes Stück ab. »Außerdem«, fuhr er, mit vollem Mund kauend, fort, »schmecken sie morgen muffig.«
    »Pfui!«
    Sofort richteten sich aller Augen auf Jeannette, die ihren Teller entsetzt von sich geschoben hatte. »Ich hasse Nüsse!«
    Sie sprang auf und streckte die Hand quer über den Tisch, um sich ein neues Küchlein zu angeln. Doch Agatha war schneller. Sie zog das Tablett zu sich und schlug Jeannettes Hand zur Seite. »Du hast dein Dessert bereits ausgesucht, junge Lady.«
    »Aber …«
    »Kein Aber«, mahnte Agatha. »Man isst, was man sich genommen hat. Ein Mädchen in deinem Alter sollte wissen, dass es ungezogen ist, den Teller wegzuschieben und sich einfach ein anderes Küchlein zu nehmen.« Mit strafendem Blick sah sie Charmaine an. »Wie mir scheint, haben Sie den Kindern noch keine Tischmanieren beigebracht. Du hebst dein Glas wie ein gewöhnlicher Matrose.« Das ging gegen Yvette. »Und du stürzt dich wie ein hungriges Tier auf die Küchlein! Eine anständige kleine Lady würde sich genieren!« Agatha rümpfte die Nase.
    Charmaine senkte den Kopf und ergriff stillschweigend Partei für Jeannette.
    »Obendrein ist es eine Sünde, Essen zu vergeuden«, schloss Agatha.
    John stand auf und ging zum Ende des Tischs. Seine Tante zuckte zusammen, als er das Tablett mit den Küchlein vom Tisch hochhob. »Wenn Auntie den Ausbund an Tugend hervorkehrt, so gnade uns Gott. Ich persönlich halte dich durchaus für eine gut erzogene kleine Lady.«
    »Von einem Neffen dulde ich kein solch ungebührliches Benehmen«, schimpfte Agatha empört.
    »So wenig wie ich von Ihnen! Sie haben allen hier am Tisch zur Genüge klargemacht, dass Sie Herzogin, Gräfin, Kaiserin und Königin in einer Person sind, Eure Majestät, aber ich lasse nicht so mit mir umspringen!«
    »Ich bin die Herrin dieses Hauses und verlange Respekt!«
    »Das mag sein, aber eines Tages werde ich hier zu bestimmen haben«, entgegnete John. »Sehen Sie sich vor, Auntie. Stellen Sie sich lieber gut mit mir, denn wenn mein Vater dieser Welt Adieu sagt, werde ich das Haus von allem befreien, was mir zuwider ist – ganz gleich, ob wir verwandt sind oder nicht.«
    Mit angehaltenem Atem sah Charmaine zu Paul hinüber und stellte zu ihrer Überraschung fest, dass er lächelte. Ein weiterer Blick bestätigte, dass Paul mit seiner Freude nicht allein war. Sogar Anna und Felicia waren aus der Küche gekommen, und Charmaine konnte sich lebhaft vorstellen, dass Fatima auf der anderen Seite das Ohr gegen die Tür presste.
    »Ich werde deinen Vater über dein beleidigendes Benehmen in Kenntnis setzen«, rief Agatha mit hochrotem Kopf. »Deine Trunkenheit ist keine Entschuldigung.«
    »Ich bin nicht auf Entschuldigungen angewiesen«, sagte John drohend. »Ob betrunken oder nicht – ich meine genau das, was ich sage. Laufen Sie nur zu Papa, so schnell Ihre dürren Beinchen Sie tragen, und beschweren Sie sich. Aber meinen Respekt werden Sie so nicht erringen.«
    Obgleich Agatha vor Empörung zitterte, wirkte John geradezu unbekümmert, als er Jeannette das Tablett anbot. »Welches Küchlein möchtest du denn gern?«
    »Das mit Sahne, bitte«, sagte sie leise. »Aber unsere Stiefmutter hat das letzte genommen.«
    »Das mit Sahne also.« John wandte sich zur Küche und rief lauthals: »Cookie!«
    Sofort eilte Fatima herein und knickste. »Master John?«
    Wie praktisch, die Köchin »Cookie« zu nennen , dachte Charmaine amüsiert.
    John bat um ein Sahneküchlein für Jeannette, und Yvette rief dazwischen und erbat noch ein weiteres für sich selbst. »Und was ist mit dir, Pierre?«, fragte er, woraufhin sich der Kleine umdrehte und sich die Füllung seines Küchleins quer über das Gesicht schmierte. »Eher nicht, Fatima. Bringen Sie uns einfach nur noch zwei Küchlein mit Sahne, und beim nächsten Mal lassen Sie die Nüsse lieber weg. Jeannette mag nämlich

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