Im Sommer der Sturme
zukünftigen Schachpartien werden jedenfalls anders verlaufen als heute Nacht.«
»Dann darf ich beim nächsten Mal also gewinnen?«, fragte Charmaine.
Er lachte leise. »Sie haben die Behauptung meines Bruders doch nicht für bare Münze genommen, oder, Mademoiselle?«
»Hat er denn die Wahrheit gesagt? Wollten Sie mich gewinnen lassen?«
»Bekomme ich eine Belohnung, wenn ich wahrheitsgemäß antworte?«
Ihre Stimme bebte ein wenig. »Das kommt ganz auf die Forderung an.«
Sein Blick ruhte auf ihren Lippen. »Wie wäre es mit einem Kuss?«
»Also gut«, sagte sie atemlos, als das unbefangene Spiel sie immer weiter auf unbekanntes Terrain entführte.
»Ich würde Sie jedes Spiel gewinnen lassen, solange es mir einen Kuss einträgt.«
Seine Worte gingen im Pochen ihres Herzens und in der Bewegung unter, mit der er sie in seine Arme zog. Sie hob den Kopf und schloss die Augen, überließ sich seinen Lippen und spürte die rauen Haare seines Schnurrbarts auf ihrer Haut. Als sie glaubte, dass er sie nicht noch enger umfassen konnte, packte er sie noch fester. Sein gieriger Mund presste sich schmerzhaft auf ihre Lippen, während seine Zunge sie auseinanderdrängte und ihren Mund eroberte. Dieses Mal wich Charmaine nicht vor ihm zurück, und der wunderbare Augenblick dauerte an. Sie klammerte sich an Paul, damit er sie festhielt, und sie erwiderte seinen Kuss mit ihrer ganzen Leidenschaft. Als seine Lippen über ihren Hals glitten, fühlte sie seinen heißen Atem in ihrem Nacken, sodass ihr ein wohliger Schauer über den Rücken lief. Und nur zu genau hörte sie die zärtlich geflüsterten Worte dicht an ihrem Ohr: »Meine süße Charmaine, meine Sehnsucht bringt mich um den Verstand … ich sehne mich nach dir … ich will dich lieben … komm mit mir in mein Zimmer …«
In diesem Augenblick holte die Wirklichkeit sie ein und vernichtete alle Sehnsucht und alle Erwartung. »Ich kann nicht!«, rief sie und presste ihre Hände gegen seine Brust. »Ich kann es einfach nicht.«
Unter Qualen löste Paul seine Umarmung, und die Frau, die er mehr begehrte als jede andere, verschwand im Schatten der Hecke. Obgleich alles in ihm schmerzte, tröstete er sich mit dem Gedanken, dass die Zeit auf seiner Seite war. Er musste nur warten und noch ein wenig Geduld haben, bis sie sich ihm endgültig ergab.
In der Geborgenheit ihres Zimmers vollzog Charmaine dasselbe Ritual vor dem Zubettgehen wie an jedem Abend, und während ihre Tränen versiegten, erinnerte sie sich an die wunderbare Umarmung. Ja, er hatte es wieder gesagt. Paul begehrte sie so, wie ein Mann eine Frau begehrte, und doch respektierte er sie und zügelte seine Leidenschaft, wenn sie noch nicht bereit für ihn war. Wer weiß – vielleicht würden sie beide im Lauf der Zeit doch noch ein Paar.
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