Im Sommer der Sturme
Augen.
»Mich kennt er eben«, sagte Paul, als er zusammen mit Rose das Speisezimmer verließ.
»Gehen wir?«, unterbrach George die Stille.
Als sie den Wohnraum betraten, eilte Jeannette sofort auf John zu und ergriff seine Hand. »Stimmt das, Johnny, was Auntie Agatha gesagt hat?«
»Was hat sie denn gesagt?«, wollte er wissen.
»Dass du betrunken bist?«
Über die unverblümte Frage war John sichtlich bestürzt. »Bisher noch nicht«, sagte er, »aber noch ein paar Gläser mehr könnten mich so weit bringen.«
»Warum bist du denn nicht ins Spielzimmer gekommen?«, wollte Yvette wissen. »Wir haben das ganze Wochenende über auf dich gewartet.«
»Ich hatte eine Menge zu tun. Außerdem wäre ich keine gute Gesellschaft gewesen, fürchte ich.«
John setzte sich aufs Sofa, und die Zwillinge ließen sich rechts und links von ihm nieder – und in sicherer Entfernung von Agatha, die wie gewöhnlich ihre Stickerei zur Hand nahm. Als Paul zurückkam, besprach er mit George die Arbeiten, die am nächsten Tag erledigt werden mussten. Und wie Charmaine befürchtet hatte, ließ auch der nächste unerfreuliche Zwischenfall nicht lange auf sich warten.
»Na, schwingst du wieder die Peitsche, Paul?«, fragte John, als er sich zu ihnen gesellte.
»Du sagst es. Schließlich müssen wir ja dafür sorgen, dass das Geschäft läuft.«
»Oder George«, gab John zurück. Er zog sich einen Stuhl heran, setzte sich rücklings darauf und verschränkte die Arme auf der Lehne, sodass er seinem Bruder genau gegenübersaß. »Du vergeudest seine Zeit, was?«
»Das tue ich nicht«, widersprach Paul. »Im Gegensatz zu dir.«
»Und dabei dachte ich immer, dass du Charmantes auch bewirtschaften könntest, wenn man dir die Hände auf den Rücken fesselte.«
»Auch in diesem Punkt irrst du.« Pauls Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. »Ich bin der Erste, der Schwierigkeiten einräumt, und die sind nicht gerade geringfügig, wenn George nicht da ist, um mir Arbeit abzunehmen.«
George atmete tief ein.
»Aber du hast es doch auch ohne ihn geschafft«, sagte John.
»Das ist richtig. Schließlich bin ich ja nicht völlig ohne Hilfe.«
George stieß den Atem wieder aus.
John heuchelte Interesse, um die Quälerei weiter fortsetzen zu können. »Du überraschst mich immer wieder, Paulie. Dich sogar auf neue Lieferanten zu stützen, nur um den Bau deines Palasts nicht aufschieben zu müssen.«
Paul war sprachlos. »Woher weißt du das …?« Mit gerunzelter Stirn sah er George an, doch der schüttelte den Kopf. »Egal, John, es ist nur ein Haus und kein Mausoleum.«
John lachte leise in sich hinein. »Nun gut, da es nur ein Haus ist, wundert mich auch nicht, dass du ohne George zurechtgekommen bist. Übrigens: Nein, George hat es mir nicht gesagt. Ich wusste es schon vorher. Also, wie bist du ohne ihn klargekommen?«
»Indem ich andere Hilfe in Anspruch genommen habe«, erwiderte Paul. »Und die einzig wirkliche Komplikation, die ich bewältigen musste, hast du verschuldet, mein lieber Bruder.«
Charmaine schauderte, weil sie genau spürte, dass sich ein Streit anbahnte. Sie beobachtete, wie John die Lippen verzog und ein teuflisches Leuchten in seine Augen trat.
»Eine Komplikation?«, fragte er arglos. »Welcher Art denn?«
Paul widerstand der Versuchung, ihm die Sache mit den fehlenden Rechnungen vorzuhalten.
»Wurde irgendetwas falsch gemacht?«, fragte John besorgt. »Nein? Darf ich dich etwas fragen?«
»Nur zu«, sagte Paul genervt.
»Du hast vorhin neue Lieferanten erwähnt. Ist es vermessen zu fragen, wer mein Erbe in der Zeit verwaltet hat, während du dich in New York und Europa oder auch auf deiner neuen Insel herumgetrieben hast?«
»Unser Vater. Er hat das Geschäft beaufsichtigt.«
»Ist er vielleicht nur dann ein Krüppel, wenn ihm das gerade passt? Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er auf seinen Hengst steigt und Tag für Tag über die Pflanzungen reitet. Also, wer war während deiner Abwesenheit für alles verantwortlich? Ist das vielleicht die Erklärung für den jämmerlichen Ertrag der Zuckerernte?«
Pauls Wut steigerte sich von Minute zu Minute. »Du kannst die Dinge einfach nicht ernsthaft betrachten! Ich arbeite mir für Leute wie dich die Hände wund, während du dich zurücklehnst und darauf wartest, dass dir Va ters Vermögen in den Schoß fällt! Und erzähl mir nichts von Herumtreiben – da du die letzten zehn Jahre in Virginia herumgesessen und so wenig wie
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