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Im Sommer sterben (German Edition)

Im Sommer sterben (German Edition)

Titel: Im Sommer sterben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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spürte die tiefe Traurigkeit, die von diesem Mann ausging.
    Man sah dem Büro an, dass Philipp Bettlach mehr als nur ein Vizedirektor gewesen war. Es war groß und hell, ohne den Eindruck zu erwecken, dass darin jemals richtig gearbeitet worden war. Eschenbach kam die Zeitschrift Schöner Wohnen in den Sinn, und er maß in Gedanken ab, ob sein eigenes Büro zwei oder drei Mal darin Platz gehabt hätte.
    »Herr Bettlach hatte die Möbel speziell in Italien anfertigen lassen«, sagte Constanze Rappold.
    Eschenbach nickte.
    Sie hatte sich als Personal Assistant von Philipp Bettlach vorgestellt. Auf Englisch, mit deutschem Akzent. Wie die beiden anderen Mitarbeiterinnen von Bettlach steckte sie in einem adretten dunkelblauen Kostüm.
    »Können Sie mir etwas über seinen Aufgabenbereich sagen?«, fragte der Kommissar. Als Erste hatte er sich Constanze vorgenommen und saß mit ihr am ovalen Besprechungstisch im Chefbüro.
    »Ich nehme an, Herr Dr. Bettlach hat Ihnen gesagt, dass wir hier nicht über Kundennamen sprechen dürfen.«
    »Ich will keine Namen … ich will lediglich wissen, was die Aufgabe von Herrn Bettlach war.«
    »Kunden.«
    »Was heißt Kunden?«
    »Ich kann … ich darf Ihnen keine Namen sagen.«
    »Herrgott!« Eschenbach musste sich zusammenreißen, dass er sie nicht anschrie. War sie wirklich so gottlästerlich dämlich, oder tat sie nur so? »Ich meine, hat er die Kunden betreut, besucht oder akquiriert? Hat er Börsengeschäfte für sie erledigt oder ihre Kinder vom Internat abgeholt? Was weiß ich schon davon … Ich bin Polizist.«
    »Alles …«
    »Kürzer und allgemeiner geht’s nicht?«
    Ihr Mund zuckte; es schien, als wollte sie noch etwas sagen, doch plötzlich schossen ihr Tränen in die Augen. Hemmungslos heulte sie drauflos und verbarg dabei ihr schönes Gesicht in den Händen.
    Nach einer Weile beruhigte sie sich wieder. Behutsam steuerte Eschenbach die Unterhaltung an ihr Ende. Die beiden anderen Gespräche, die er der Reihe nach führte, verliefen nicht viel anders. Sie waren verliebt in ihren Chef – alle drei. Vermutlich wären sie für Philipp Bettlach aus dem Fenster gesprungen, in die Limmat, und wenn’s hätte sein müssen auch vom Eiffelturm. Sei es aufgrund des Geldes, das er hatte, seines Lachens oder nur seiner schönen Hände wegen. Jede vergötterte ihn auf ihre ganz spezielle Weise.
    Was seine Arbeit betraf, soweit man das, was er tat, als Arbeit bezeichnen konnte, schien er erfolgreich gewesen zu sein und durch seine gewinnende Art allerlei Kundschaft akquiriert zu haben: Erben des alten Geldes genauso wie Leute aus dem Jetset und neureiche Angeber. Philipp war ein Strahlemann gewesen; ein Sonntagskind, wie sie sagten, den jede andere Privatbank in Zürich gerne vor ihren Karren gespannt hätte.
    Als Eschenbach durch die geisterhafte Glastür wieder auf den Rennweg trat, drückte ihn die Hitze beinahe zu Boden. Er sah auf die Uhr. Fast vier. Er hatte die Zeit völlig vergessen.
    Die Sonne brannte ihm ins Gesicht, der Asphalt unter seinen Füßen fühlte sich an wie ein weicher Teppich. Er dachte an Ozonwerte und daran, dass derzeit von Sport im Freien abgeraten wurde. Eschenbach wusste nicht, warum ihm dabei auch seine Cholesterinwerte wieder einfielen. Dann kamen ihm Jagmetti und die Schaufensterpuppe in den Sinn. Ihm wurde schwindlig.
    Er wechselte die Straßenseite, da die andere Seite im Schatten lag. Vorbei an Geschäften mit Schweizer Offiziersmessern, digitalen Wetterstationen, Grußkarten, Kuckucksuhren, Kochschürzen und anderem Schnickschnack marschierte er in Richtung Paradeplatz.
    Er schwitzte. An den Schläfen lief es zuerst. Dann vom Haaransatz auf die Stirn und über die Stirn hinaus in die Augen. Es brannte. Da er kein Taschentuch fand, versuchte er es mit dem Ärmel seines Jacketts. Aber Wolle sog schlecht auf.
    Warum hatte er überhaupt ein Jackett aus Wolle an? Warum keines aus Leinen oder aus Baumwolle?
    Jetzt juckte es auf der Stirne, an der Schläfe und im Nacken. Er kratzte. Die Hand war nass und das Hemd sah aus, als bestünde es aus großen hell- und dunkelblauen Puzzleteilen.
    Am Paradeplatz nahm er sich ein Taxi und fuhr zum Golfclub.

4
    »Das fünfzehnte Loch ist hier«, sagte die Dame an der Rezeption und deutete mit manikürtem Finger auf einen Mini-Plan mit lauter kleinen grünen Flecken. »Am besten, Sie gehen zu den back nine und kürzen dann zwischen Loch zwölf und Loch dreizehn ab.«
    Verständnislos blickte der Kommissar sie an.

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