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Im Sommer sterben (German Edition)

Im Sommer sterben (German Edition)

Titel: Im Sommer sterben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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Händen die Puppe stützte, senkte den Kopf und blickte über das Käppi der Puppe hinweg. »Der Mörder muss von dort oben geschossen haben.«
    Jetzt sah Eschenbach die etwa vierzig Zentimeter lange Nadel, die durch das blaue Käppi hindurch oberhalb der Schläfe aus dem Kopf der Puppe rechtwinklig herausstand.
    »Die Nadel demonstriert den Einschusswinkel. Dr. Salvisberg hat sie angebracht.« Jagmetti deutete auf die Salvisberg’sche Konstruktion.
    »Aha. Und ihr seid sicher, dass er so gestanden hat, als ihn der Schuss traf?«
    »Ja«, kam es von allen dreien im Chor.
    »Und warum?«
    »Erklär du’s ihm, Johnny«, sagte Jagmetti, der krampfhaft die Puppe stützte, um nichts zu verändern.
    »Also, Herr Kommissar.« Der Golfpro, der nun aufstand, war etwas kleiner als Jagmetti, braun gebrannt und hatte eine Himmelfahrtsnase. »Ein Golfball wird auf der ganzen Welt auf etwa die gleiche Art angesprochen und geschlagen.«
    » Ansprechen ist das Hinstellen, bevor man ihn schlägt«, warf Jagmetti ein.
    »Genau, wie auf der Jagd«, sagte Doris Hottiger. »Da heißt es auch Ansprechen , glaube ich.« Als ihr der makabre Bezug ihrer Bemerkung bewusst wurde, senkte sie den Blick.
    Der Golfpro fuhr in seinen Ausführungen fort. Er demonstrierte Eschenbach Ansprechhaltung und Schlagablauf. Mit und ohne Golfschläger, wobei der Kommissar schnell verstand, dass es tatsächlich so etwas wie eine allgemein gültige Stand- und Schlag-Position gab. Eine Position, die unter guten Golfern nur wenig variierte.
    »Vorausgesetzt die Person war Rechtshänder«, präzisierte Johnny. »Sonst wäre es natürlich seitenverkehrt.«
    »Und? Ich meine, war er Rechtshänder?«, fragte der Kommissar interessiert.
    »Ja, war er. Ich kenne ihn von den Golfstunden, die er bei mir nahm.«
    »Wir haben auch die Schläger kontrolliert«, sagte Jagmetti. »Da sieht man, ob jemand Rechts- oder Linkshänder ist.«
    »Sehr gut«, warf Eschenbach ein. »Wir wissen nun, wie sich ein guter Spieler hinstellt, wie er zielt und den Ball schlägt. Das nützt uns aber nichts. Wir müssten auch wissen, wann, ich meine: zu welchem Zeitpunkt genau im Laufe dieser Bewegungssequenz er getroffen wurde.«
    Eschenbach nahm einen Schläger aus dem Golfbag, der neben ihm stand, und imitierte einen Schlag, wie er ihn sich bei Johnny abgeschaut hatte. »Sehen Sie, da bewegt sich alles. Beine, Arme, Schultern, Kopf. Alles dreht und wendet sich.« Eschenbach wiederholte denselben Schlag noch einmal. »Da müssten wir auf eine Zehntelsekunde, vielleicht sogar auf die Hundertstelsekunde genau wissen, wann es geknallt hat. Das ist unmöglich.«
    »Eben nicht, Chef. Der Kopf bewegt sich nicht.«
    »Was? Natürlich bewegt sich der Kopf.« Eschenbach wollte wieder zu einem neuen Schlag ansetzen.
    »Bei einem guten Golfspieler bewegt sich der Kopf nicht. Bis zum Zeitpunkt, wenn er den Ball trifft. Johnny, zeig’s bitte noch einmal.«
    Und als handle es sich um ein besonders schwieriges Zirkusstück, das einer separaten Ankündigung würdig ist, setzte Jagmetti noch eins drauf. »Sogar nachdem der Ball getroffen wird, bleiben die Augen einen Bruchteil einer Sekunde an der Stelle haften, an der zuvor der Ball lag.«
    Johnny, der einen Schläger aus dem Golfbag geholt hatte, stellte sich vor den Kommissar.
    »Ich werde jetzt einen Schlag zeigen. Einen Schlag, den jeder gute Golfer etwa so ausführen würde, um von hier auf das fünfzehnte Grün zu gelangen. Und schauen Sie mir dabei nur auf den Kopf. Ich werde den Schlag ein paar Mal wiederholen.«
    Es war wirklich so, wie sie sagten. Johnnys Kopf blieb ruhig, beinahe unbeweglich, während er eine große, ausholende Bewegung machte. Seine Augen blickten starr auf den Punkt vor seinen Füßen, wo der Ball lag. Dann schnellten Arme, Hände und Schläger nach unten.
    »Und so hat Bettlach auch geschlagen?« Der Kommissar schien der Sache noch nicht zu trauen.
    »Genau so. Er war ein hervorragender Golfer.« Es war Frau Hottiger, die das sagte. Eschenbach blickte zu Johnny, und auch er nickte zustimmend.
    »Dann sieht es gar nicht schlecht aus.«
    »Nein, Chef. Schlecht nicht.«
    »Aber was?«
    »Aber es gibt natürlich auch noch die Möglichkeit, dass die Kugel Bettlach traf, nachdem er den Kopf bewegt hatte.«
    »Das ist möglich, aber wenig wahrscheinlich.« Eschenbach fasste den Golfschläger am unteren Ende und hob ihn langsam bis auf Schulterhöhe an. Er presste den Schlägerkopf an seine rechte Schulter, als halte er ein Gewehr

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