Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Sommer sterben (German Edition)

Im Sommer sterben (German Edition)

Titel: Im Sommer sterben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
Vom Netzwerk:
New York landen würde. Er spürte es einfach: Johannes Bettlach war da, in seiner Bank vielleicht oder in der alten Villa oberhalb von Herrliberg, und ließ sich abschirmen wie ein Kranich beim Brüten.
    Auch wenn das Herumgedruckse von Bettlachs Sekretärin um die Termine und Buchungen ihres Chefs ein Indiz dafür war, dass Eschenbach mit seiner Vermutung richtig lag, wollte der Kommissar sichergehen. Er ließ die Daten, die man ihm gegeben hatte, durch Max Kubly und seine Leute beim internen Informationsdienst überprüfen.
    »Flug der SWISS von heute Mittag nach New York, ich gebe Ihnen die Nummer …« Es dauerte einen Moment, bis Eschenbach den Zettel mit den Notizen gefunden und die Angaben durchgegeben hatte. »Passagierliste, Sie wissen schon … und dann noch die Reservation im Hotel Mercer in Manhattan.«
    Der Beamte am anderen Ende der Leitung wiederholte jede einzelne Angabe. Er hatte eine helle Stimme und hieß Yves Bechstein. Eschenbach musste jeden Namen und jede Zahl mit »Richtig!« oder »Korrekt!« quittieren. Als der Kommissar einmal mit einem »Mmhh« bestätigte, wiederholte Bechstein seine Rückfrage. Dabei setzte er ein schrilles »Richtig?« an den Schluss. Eschenbach überlegte, wie es wohl wäre, wenn man diese Art von Gespräch gänzlich automatisieren würde. Dann allerdings mit einer Bariton-Stimme, fand er. Bechstein klang wie Trompete.
    Am Ende des Gesprächs bat der Kommissar noch darum, in jedem Fall das US Immigration Office zu kontaktieren. »Auch für den Fall, dass er nirgends gebucht ist.«
    »Selbstverständlich«, sagte Trompete und erbat noch ein »Korrekt!« für die Flughäfen John F. Kennedy und Newark International.
    Am nächsten Morgen brauchte Eschenbach lange, bis er die offenen Fragen des Falls Bettlach in einen Zwischenbericht umgesetzt hatte. Kobler benötigte den Report für Sacher. Dringend, wie sie sagte.
    Der Plan glich einem Pokerspiel, das wusste er. Aber es war die einzige Möglichkeit, die sich bot. Ernst Hottiger hatte erkannt, dass er gänzlich erblinden würde, was mehr als ein Bankrott – vielleicht sogar schlimmer als der Tod gewesen sein musste. Trotzdem, es schien nicht wahrscheinlich, dass er sich deswegen umgebracht hätte. Deshalb nicht, weil es schon sein Vater getan und er ihn dafür gehasst hatte, oder weil es in seinen Augen zu feige war und nicht in seine Wertordnung passte. Was aber, wenn er durch seinen Selbstmord jemand anderen schützen konnte? Jemand, der ihm nahe stand, näher vielleicht, als er sich selbst war? Dann bekäme sein Selbstmord plötzlich einen Sinn, würde sich in Hottigers Welt der Sicherheit und des Beschützens einordnen wie das Schloss in eine Kette.

37
    »Was ist das?« Jagmetti warf den Haftbefehl auf Eschenbachs Schreibtisch und stand da, als hätte man gerade sein Haus geplündert. »Das ist doch nicht Ihr Ernst, oder?«
    »Doch!«, polterte Eschenbach. »Heute Morgen um sieben hat man sie festgenommen. Jetzt ist endlich Schluss mit dem Theater!«
    »Doris ist unschuldig«, zischte Jagmetti. Enttäuschung und Zorn standen rot auf seiner Stirn.
    »Das hat der Richter zu entscheiden, nicht ich.«
    »Und das?« Der Polizeischüler hämmerte mit dem Zeigefinger auf das Papier, das in französischer Sprache verfasst war. »Warum weiß ich nichts davon?!«
    »Das muss ich wohl nicht erklären, oder?« Eschenbach zog die Augenbrauen hoch. »Ich wäre jetzt gleich zu Ihnen gekommen.«
    »Sie trauen mir nicht … ich weiß nicht.« Jagmetti machte eine kurze Pause, bevor er weiter auf den Kommissar einredete. »Das ist so was von mies … und hinterhältig. Wenn Sie Charakter hätten, dann wenigstens direkt ins Gesicht. Dann sagen Sie mir doch, dass ich als Polizist nichts tauge. Dass ich ein … ein latentes Risiko bin, hinderlich gewissermaßen.«
    Eschenbach wollte etwas sagen, kam aber nicht dazu. Es regnete Vorwürfe und Selbstmitleid. Der Kommissar widerstand der Lust, sich eine Brissago anzuzünden. So saß er einfach nur da, mit den Händen auf der Armlehne wie im Konzert, und schwieg. Nach einer Weile, als er Jagmettis Pulver verschossen glaubte, sagte er: »Und jetzt, sind Sie fertig, Jagmetti?«
    »Ja.« Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Ich kündige, Chef!«
    »Hören Sie auf, ich bin nicht Ihr Chef.«
    »Ich kündige trotzdem, es ist mir egal«, sagte Jagmetti und ging zum Ausgang. Seine Schritte waren zögerlich, und es schien, als hätten sie die Kraft der Empörung verloren.
    »Dann bitte

Weitere Kostenlose Bücher