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Im Sommer sterben (German Edition)

Im Sommer sterben (German Edition)

Titel: Im Sommer sterben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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tatsächlich nicht gewesen sein – auf den Mörder, der immer noch frei herumlief. In den drei Wochen, in denen Doris in Untersuchungshaft saß, hatte der Fall eine Eigendynamik entwickelt, die dem Kommissar von Tag zu Tag unangenehmer wurde.
    Er hatte die Sache gewaltig unterschätzt: Die Gewissenskonflikte, die Zerrissenheit und Nervosität, die er auf der Gegenseite provozieren wollte, waren auf ihn selbst zurückgefallen. Und seit sich wegen der laufenden Berichterstattung in der Regenbogenpresse und im Fernsehen täglich mehrere Personen zur Tat bekannten, war auch der Polizeiapparat in Unruhe.
    »Wann rechnen Sie mit einem Geständnis?« Es war Elisabeth Koblers Standardfrage. In den letzten vierundzwanzig Stunden war es schon das zweite Mal, dass sie ihn deswegen anrief.
    »Ich weiß es nicht … eigentlich glaub ich nicht mehr daran, dass noch eins kommt.«
    »Sind Sie da nicht etwas zu pessimistisch?«
    »Geständnisse kommen gleich am Anfang oder gar nicht.«
    »Das hat natürlich etwas …«
    »Eben.«
    »Dann können wir uns auf einen Indizienprozess gefasst machen«, sagte Kobler. »Ist mir auch recht. Schließlich liegen klare Verdachtsmomente vor. Man kann uns nichts vorwerfen.«
    »Nein, das nicht.«
    »Haben wir die Waffe schon gefunden?«
    »Nein. Die Blaser R93 Tactical, mit der vermutlich geschossen wurde, ist verschwunden. Seriennummer, Waffenschein usw. haben wir alles bei Ernst Hottiger gefunden. Sie war als Teil seiner Sammlung registriert.«
    »Und Frau Hottiger ging dort ja bekanntlich ein und aus.«
    »Richtig. Sie besaß einen Schlüssel und kümmerte sich während der Abwesenheit von Ernst Hottiger auch um das Anwesen. Das haben Lieferanten und Nachbarn bestätigt.«
    Das war alles bereits mehrmals von den Medien aufgenommen worden und hatte schon in diversen Zeitungsberichten gestanden.
    »Und dieser Anwalt von der Hottiger …«
    »Alex Kalbermatten«, warf Eschenbach ein.
    »Ja, genau. Von Kalbermatten & Dormann – übrigens eine der besten Kanzleien für Strafsachen.«
    »Ich weiß.« Eschenbach rollte die Augen. »Seinem Haftentlassungsgesuch wurde nicht stattgegeben. Kaum verwunderlich, da Doris schon einmal ins Ausland getürmt ist.«
    »Dann ist ja alles bestens.«
    »Sage ich ja.«
    Nachdem sie sich verabschiedet hatten, schaute Eschenbach auf die Uhr und überlegte, ob er die S-Bahn noch erreichen würde.
    Einmal die Woche fuhr er mit der S5 nach Dielsdorf und besuchte Doris, in der Hoffnung es käme etwas Gescheites dabei heraus. Ein Geständnis oder ein Hinweis, der ihn weiterbringen oder Doris entlasten würde. Er tat es immer dienstags, inoffiziell und als Privatperson. Ansonsten hätte er sie ins Präsidium beordern müssen; im Rahmen einer Einvernahme und mit einem Haufen Beamter, die sie begleitet, herumgestanden und betreten geschwiegen hätten, wenn alles protokolliert worden wäre.
    Auch wenn seine kurzen Besuche erst drei Wochen andauerten und sie sich die meiste Zeit nur schweigend gegenübersaßen, war daraus eine kleine Gewohnheit geworden. Jeweils kurz vor fünf verließ er das Präsidium, schlenderte entlang der Sihl zum Bahnhof und ließ sich beim Türken in der Bahnhofshalle einen Döner einpacken. Und jedes Mal hatte er Glück, dass in der S-Bahn ein Fensterplatz frei war; mit Blick in Fahrtrichtung.
    Es irritierte Eschenbach, dass schon Mittwoch war und dass er den Tag zuvor keine Zeit für seinen Besuch gefunden hatte. Corina hatte unbedingt in den Schiffbau gewollt, um sich eine Inszenierung von Christoph Schlingensief anzusehen. Das Ensemble hatte sich zwei Stunden angebrüllt und Eschenbach sich gegen den Schlaf gewehrt.
    Hatte Doris auf ihn gewartet, aus purer Routine? Er mochte die wenigen Gewohnheiten, die sein Beruf bot; die Spaziergänge durch Zürich, die Morgensitzung, wenn er seine engsten Mitarbeiter um sich versammelt hatte, oder den Kaffeeklatsch mit Rosa. Für ihn waren es Brückenköpfe, die wie kleine Inseln trotzig dem Strom der Veränderung standhielten. Es war zehn nach fünf, und Eschenbach beschloss, den Wagen zu nehmen.
    Als er mit seinem alten Volvo zurück in die Stadt fuhr – im Schritttempo durch den Milchbucktunnel –, befiel ihn wieder dieses seltsame Gefühl. Er hatte es jedes Mal, wenn er von Doris kam. Aber diesmal konnte er es beschreiben: Es war die Schwere, die ihn einhüllte wie die Abgase der Autos, die vor ihm standen oder seitlich an ihm vorbeischlichen. Es war ein schlechtes Gefühl.
    In den drei Wochen, in

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