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Im Sommer sterben (German Edition)

Im Sommer sterben (German Edition)

Titel: Im Sommer sterben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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und zielte. Aus dem Golfschläger wurde das Gewehr des Mörders.
    »Aus einer großen Distanz. Vierhundert, vielleicht fünfhundert Meter.« Eschenbach sprach leise, als rede er nur mit sich selbst. »Der Kopf darf sich nicht bewegen, sonst trifft er nie. Der Mörder hat nur einen Schuss. Ein Gewehr mit Zielfernrohr. Er wartet. Beobachtet. Nimmt sich Zeit. Er kennt die Bewegungen seines Opfers, wie der Jäger die Bewegungen des Rehs … Paff!« Eschenbach senkte den Schläger und sah zu Jagmetti, der fast andächtig links vor ihm stand. »Er wartet. Er schießt erst ganz am Schluss. Die Leute von der Spurensicherung fanden den Ball auf dem Grün, drei Meter von der Fahne entfernt. Er muss ihn sauber getroffen haben.« Er überlegte. »Den Bruchteil einer Sekunde später – und er hätte seine Chance verpasst.«
    Die drei sahen den Kommissar schweigend an. Keiner wollte ihn unterbrechen.
    »Wie groß war Bettlach eigentlich?«, fragte Eschenbach und musterte die Puppe.
    »So um die eins achtzig, denke ich. Oder?« Der Golfpro suchte mit seinem Blick Doris Hottiger.
    »Ja, vielleicht. Eins achtzig.«
    Hatten sie doch ein Verhältnis, wie Aebischer vermutete? Es würde nicht schwierig werden, das herauszufinden, davon war Eschenbach überzeugt. Aber das hatte noch Zeit.
    Jagmetti und Johnny brachten die Puppe wieder in Position. Diesmal zehn Zentimeter höher, um den Größenunterschied zwischen der Puppe und Bettlach auszugleichen.
    Als alles perfekt ausgerichtet und Johnny zufrieden war, stellte sich Eschenbach rechts neben die Puppe und versuchte die Richtung, in welche die Stricknadel deutete, auszuloten.
    Sie zeigte am nahen Waldrand vorbei auf eine Anhöhe. Das Gras war dort recht hoch, zahlreiche Sträucher und Jungbäume boten zusätzlichen Schutz. Es schien geradezu ideal für jemanden, der sich stundenlang auf die Lauer legte. Eschenbach schätzte die Distanz auf einen halben Kilometer oder mehr.
    Rechts oben, durch den Wald halb verdeckt, konnte Eschenbach ein Bauernhaus erkennen. Oder war es eine Gaststube?

5
    Washington D. C. – Am 2. Juli um 15.33 Uhr durchschlägt eine Kugel das Fenster eines Frisiersalons und zerfetzt der Angestellten Joan Cartridge den linken Unterarm. Um 16.02 Uhr stirbt George H. Franklin, 59, auf dem Parkplatz der Howard University. Am 3. Juli wird um 9.20 Uhr der Versicherungsagent James L. Buchanan, 39, beim Reinigen seines Pools getötet, um 12.10 Uhr …
    Marianne Felber, 32, seit Anfang des Jahres Journalistin beim Zürcher Tagblatt , sah sich den Polizeibericht über den Washingtoner Sniper an, den ihr ein Kollege von der Washington Post per E-Mail zukommen ließ.
    Das Täterprofil des Scharfschützen erinnerte sie an Filme wie Seven oder Copy Kill . In beiden Filmen wollte der Täter Macht über die Polizei ausüben. Der Machtaspekt war auch beim Washingtoner Killer evident. Kaum hatte ihn die Presse als »Rentnerkiller« bezeichnet, begann er auf Jugendliche zu zielen. Er wollte nicht in ein Schema gezwängt werden.
    Sie wusste von einem Kollegen, der für die Wochenzeitschrift FOLIOS in der Sniper-Szene recherchierte. Marianne kramte in ihrer Agenda und zündete sich eine Zigarette an. Es war die zehnte an diesem Freitag. Die zehnte der zweiten Schachtel. Gestern wollte sie mit dem Rauchen aufhören, dann heute Morgen diese Pressekonferenz.
    Bei FOLIOS meldete sich der Anrufbeantworter. Sie sagte, worum es ging und hinterließ ihre Nummer.
    Sie hatte noch nie einen Mordfall recherchiert. Etwas Lifestyle und Mode, sechs Monate Boulevard im Ausland und zwei Berichte für ein Reisemagazin. Dazu kamen ein abgebrochenes Wirtschaftsstudium, eine abgebrochene Beziehung und ein gebrochenes Herz.
    Sie hätte den Mordfall unter normalen Umständen nicht bekommen, das wusste sie. Aber Randegger war nun mal in den Ferien und Oswald mit Nierensteinen im Spital. Daran ließ sich nichts ändern. Gott sei Dank.
    Irgendwann bekommt jeder eine Chance, hatte sie sich gesagt, als das mit Hamburg nicht klappte und Ralph bei Andrea einzog. Andrea! Sie hatte die beiden einander sogar vorgestellt. Auf der Farewell-Party, bevor sie nach Hamburg zog. Hätten wenigstens Weihnachten noch abwarten können. Eine Frage des Stils, fand sie. Und Stil hatten sie beide nicht – Ralph nicht, und Andrea erst recht nicht.
    Den Artikel für morgen hatte Marianne im Kasten. Frontseite Inlandteil. Bruhwyler hatte ihn noch etwas gekürzt, aber den Rest konnte ihr niemand mehr nehmen. Sollte Ralph doch

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