Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Sommer sterben (German Edition)

Im Sommer sterben (German Edition)

Titel: Im Sommer sterben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
Vom Netzwerk:
August 1984«, lamentierte er.
    »Wenn zwei Zürcher Clubs in ihrer Heimatstadt gegeneinander spielen, dann gibt es zwangsläufig einen Heimerfolg«, gab Marianne zu bedenken. »Vorausgesetzt, sie spielen nicht unentschieden.«
    »Der FCZ und der GC, das ist wie 1860 München und Bayern München … andere Welten, wenn du weißt, was ich meine.«
    »Ich kenne nur den Hamburger SV«, sagte sie. »Da ging ich mit meinem Vater hin, als ich zehn oder elf war.«
    Dario winkte ab und meinte, dass er noch etwas erledigen müsse.
    Marianne wählte die Hauptnummer der Credit Suisse in Zürich. Nachdem sie zweimal verbunden wurde, meldete sich Konrad Affolter, Leiter des Foreign Client Desks am Paradeplatz.
    »Ich habe Ihren Namen von Linus Breitenmoser«, sagte sie und kam gleich zur Sache.
    »Ich möchte darüber nicht sprechen«, sagte der Banker.
    Marianne spürte das Unbehagen in seiner Stimme. »Ich versichere Ihnen, dass wir unsere Quellen vertraulich behandeln.«
    »Es war in bestem gegenseitigen Einvernehmen, kann ich nur sagen.«
    »Nach nur sechs Monaten?«, hakte sie nach.
    »Mehr kann ich dazu wirklich nicht sagen.«
    »Linus Breitenmoser glaubt, dass die Chemie zwischen Ihnen beiden nicht stimmte. War es das?«
    »Ja, so könnte man es nennen.«
    »War die Polizei schon bei Ihnen?«, wollte Marianne wissen.
    »Weshalb? Ich meine, warum sollte sie?« Der Banker wurde unsicher.
    »Angenommen, Sie hatten sich gestritten … was weiß ich schon. Jedenfalls klingt das alles sehr verwirrend. Man könnte leicht den Eindruck gewinnen, Sie wollten sich für etwas rächen.«
    »Ich habe doch nicht …« Affolter holte Luft. »Immerhin war ich es, der gekündigt hatte.«
    »Dann muss es dafür doch einen triftigen Grund gegeben haben. Philipp Bettlach war ein äußerst ehrenwerter, ein zuvorkommender Mensch.«
    »Von außen vielleicht. Ich weiß nicht, wie gut Sie ihn kannten.«
    »Gar nicht«, erwiderte Marianne. »Aber ich höre nur Gutes.«
    »Ich möchte nicht sagen, dass er schlecht war.«
    »Sondern?«
    »Schwierig.« Affolter räusperte sich. »Einerseits war er sehr zuvorkommend, charismatisch, so wie man ihn in der Öffentlichkeit wahrgenommen hat. Andererseits konnte er sehr verletzend, ja geradezu bösartig sein. Glauben Sie mir, Philipp Bettlach war nicht der Mensch, für den er allgemein gehalten wird.«
    »Können Sie nicht etwas genauer sein?«
    »Mehr kann ich Ihnen wirklich nicht sagen. Ich habe mein Arbeitsverhältnis mit der Zürcher Handelsbank aufgelöst und bin an ein Stillschweigen gebunden.«
    »Hat man Ihnen Geld geboten?«
    »Wie gesagt, ich kann Ihnen nicht weiterhelfen. Tut mir Leid.«
    »Haben Sie mit seinem Bruder, Johannes Bettlach, darüber gesprochen? Ihm gehört doch die …«
    Konrad Affolter hatte aufgelegt.

8
    »Hier beginnt die Via Mala, von der ich Ihnen erzählt habe.« Die gepflegte Dame mit dem großen Busen und der viel zu engen Bluse, die Eschenbach im Speisewagen der Rhätischen Bahn gegenübersaß, gab sich dramatisch. »Der böse Weg, heißt es auch.«
    Der Zug stand auf dem Bahnhofgleis in Thusis und würde gleich weiterfahren. Über Tiefencastel, Filisur, Bergün, Preda, Samedan und Celerina würde er ihn ins Oberengadin führen und planmäßig um 13.55 Uhr in St. Moritz Bad eintreffen.
    Eschenbach blickte zum Fenster hinaus. Er kannte die Via Mala natürlich auch. Welches Kind in der Schweiz kannte sie nicht, die alte, von abschüssigen Felsen flankierte Straße zwischen Thusis und Zillis, die weiter südlich über den Splügenpass ins italienische Chiavenna führte.
    Unzählige Geschichten, meist erfundene, hatte er seiner Tochter erzählt, als sie noch klein war. Von Wegelagerern und reichen Kaufleuten. Von halbseidenen Gestalten, die bei Dämmerlicht Schmuggelware auf Maultieren von Italien in die Schweiz schleppten.
    Irgendwann interessierte sich Kathrin nicht mehr für seine Geschichten, und etwas später dann nur noch für Jungs.
    Eschenbach interessierte sich für die Geschichten seiner Tischnachbarin auch nicht mehr, was sie kaum störte. Sie war über dreißig Jahre Mittelschullehrerin in Graubünden gewesen und gegen desinteressierte und gelangweilte Zuhörer immun.
    »… und gleich da hinten, ungefähr fünf Kilometer südlich von hier kommt eine der eindrücklichsten Schluchten der Schweiz. Dreihundert Meter hohe Felswände bilden ein gewaltiges Tobel«, referierte sie munter weiter. Der Busen bebte und ihre dunklen Augen, die durch die dicken Gläser ihrer

Weitere Kostenlose Bücher