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Im Sommer sterben (German Edition)

Im Sommer sterben (German Edition)

Titel: Im Sommer sterben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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wortlose Beklommenheit in Aufzügen. Ihm kam die Filmszene in den Sinn, in der Peter Sellers als Inspecteur Clouseau mit einer Horde übler Ganoven schweigend Aufzug fährt. Tür auf – Tür zu. Der junge Assistent lächelte perlweiß.
    Als sie Seite an Seite den langen Korridor zu Prof. Oberholzers Büro entlanggingen, wurden sie immer wieder freundlich gegrüßt. Menschen in weißen Kitteln, Hosen und Schuhen. Und mit Zähnen, die in puncto Farbe den Kitteln und Schuhen in nichts nachstanden und hier offensichtlich zur Grundausstattung gehörten. Eschenbach dachte an sein Gebiss und schloss den Mund.
    »Hier sind wir.« Tobias Eigenmann deutete mit ausladender Geste auf eine offen stehende Zimmertür, machte eine Verbeugung wie zu Kaiser Wilhelms Zeiten und wartete, bis der Kommissar an ihm vorbei ins Zimmer trat. Danach schloss er die Tür sorgsam von außen.
    »Schwul. Stockschwul, mein Eigenmann!« Rania Oberholzer lachte schallend. »Aber ein begnadeter Dentalmediziner!« Sie begrüßte Eschenbach wie einen alten Freund. »Wäre ich nicht lesbisch – ich würde ihn auffressen, mit Haut und Haaren! Schwul hin oder her.« Wieder lachte sie, und Eschenbach glaubte ihr aufs Wort.
    Er hatte die Frau mit der fassähnlichen Figur und dem runden Gesicht, das in ein hängendes Dreifachkinn überging, nicht so groß in Erinnerung. Mit seinen einsfünfundachtzig war er nur unmerklich größer als sie.
    »So haben wir die besten Voraussetzungen für eine freundschaftliche Zusammenarbeit. Wussten Sie übrigens, dass die meisten sexuellen Übergriffe am Arbeitsplatz stattfinden? Wenn man von den Übergriffen innerhalb der Familien einmal absieht«, fügte sie noch hinzu.
    »Womit wir beim Thema wären«, erwiderte Eschenbach, der ihre Offenheit für sich zu nutzen wusste. Dass sie ausschließlich Schwarz trug, wirkte in der von Weiß dominierten Umgebung geradezu erfrischend, fand er. »Tragen Sie immer noch Schwarz?«
    »Ich trage immer Schwarz, Herr Kommissar. Weiße Kittel machen mich krank. Zu viel Weiß ist wie zu viel schönes Wetter. Schauen Sie mal nach draußen.« Sie deutete zum Fenster.
    »Jetzt haben wir schon seit über sechs Wochen ein Wetter wie in der Karibik. Und, freuen sich die Leute? Im Gegenteil! Sie werden zickig und wünschen sich Regen. Zu viel Sonne, zu viel Weiß, zu viel Stress … was auch immer! Abwechslung macht das Leben aus, nicht wahr, Herr Kommissar? Abgesehen davon, schwarz macht schlank!« Wieder lachte sie. Ein Erdbeben von einem Lachen, das den ganzen Körper erfasste. Trotz ihrer unförmigen Gestalt hatte sie etwas Gewinnendes. Etwas, das mitriss und das Gefühl vermittelte, dass einem nichts in der Welt etwas anhaben könne.
    »Kommen Sie, wir setzen uns. Ich habe Plattfüße und mag nicht lange herumstehen.«
    Vielleicht war es ihr Lachen, ihre direkte, ungehemmte Art, die sie schon nach ein paar Sätzen für Eschenbach so sympathisch machte. Das Offensichtliche, worüber andere gerne schweigen, sagte sie lauthals. Und jede aufkeimende Peinlichkeit fraß sie auf, mit einem Lachen, das so tief war wie der Ozean. Eschenbach konnte sich gut vorstellen, dass es Menschen gab, die Rania Oberholzer schon nach zwei Minuten ihre ganze Lebensgeschichte anvertrauten.
    »Ich nehme an, Sie wissen alles über Philipp Bettlach«, schoss es aus ihm heraus; dann ließ er sich in den Stuhl fallen, den sie ihm angeboten hatte.
    »Aha, meinen Sie?« Sie goss Wasser in zwei Gläser und trank ihres gleich leer. »Und wie kommen Sie drauf, wenn ich fragen darf?« Wieder füllte sie ihr Glas und trank.
    »Ich würde Ihnen auch alles erzählen«, log Eschenbach.
    »Ich soll viel Wasser trinken, hat mein Arzt gesagt. Vier Liter am Tag! Stellen Sie sich das vor! Nierensteine … das ist ein Elend, sage ich Ihnen.« Auf dem runden Tisch, an dem sie saßen, standen vier große Flaschen Evian. Sie füllte wieder nach. »Also helfen Sie mir mit dem Zeug. Ich hasse Wasser ohne Kohlensäure.« Eschenbach trank und schwieg.
    »Philipp Bettlach war ein armes Schwein«, kam es nach dem fünften Glas. »Er suchte ein Leben lang nach seinem Vater und hatte einen Bruder, der ihn in allem überragte.«
    Eschenbach hörte aufmerksam zu. So weit war er auch schon gekommen.
    »Wissen Sie, was das heißt? Ohne Vater aufzuwachsen?« Eschenbach dachte an seinen Vater, der vor vier Jahren gestorben war. Er öffnete die zweite Flasche Evian und füllte die Gläser.
    Sie hatte keine Antwort erwartet und fuhr fort. »Ich bin ohne

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