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Im Sommer sterben (German Edition)

Im Sommer sterben (German Edition)

Titel: Im Sommer sterben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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Mord gelesen und das Fax in den Händen gehalten hatte, war es ihm durch den Kopf geschossen: Die beiden Morde hatten etwas miteinander zu tun. Er wusste nicht, warum er das dachte; mochte auch gar nicht darüber nachdenken. Die Macht des ersten Gedankens ist, dass man nicht weiter darüber nachdenken muss. Jetzt hatte er den Hinweis, dass er der richtigen Spur folgte. Etwas, das die beiden Morde in Verbindung brachte, und worüber er sich, so himmeltraurig es ihm vorkam, ausgiebig freuen konnte.
    Er ertappte sich dabei, einen Moment zu überlegen, selbst hinzufahren. Litt er schon unter Verfolgungswahn, oder war er nur ein gebranntes Kind? Und worin lag der Unterschied? Die Kopien, die ihm die Basler Polizei freundlicherweise anfertigen würde, lägen in zwei Stunden abholbereit, hatte man ihm versichert.
    Er wählte die Nummer der Streifenwagen-Leitstelle und meldete sich mit Namen, Dienstgrad und Identifikationsnummer.
    »Haben Lohmeier und Wullschleger gerade Dienst?«, fragte er. Es dauerte einen Moment, bis die freundliche Frauenstimme sich wieder meldete.
    »Ja, noch bis acht Uhr. Soll ich Sie durchstellen, Herr Kommissar?«
    »Gerne, ich warte.« Wieder vergingen zwei Minuten und Eschenbach suchte die angebrochene Schachtel Zigarillos, die er eben noch in den Händen gehalten hatte.
    »Streifenwagen siebzehn«, meldete sich die vertraute Stimme von Steffen Lohmeier. Es kamen die üblichen Sprüche, die über die vielen Jahre zu einer Art Standardbegrüßung herangewachsen waren.
    »Weißt du, was ich meiner Frau zu Weihnachten schenke?«, fragte Lohmeier, ohne eine Antwort abzuwarten. »Einen Stuhl … ich hab ihn schon gekauft. Jetzt muss ich nur noch das Elektrische montieren!« Er lachte heiser. Auch die frauenfeindlichen Witze – Lohmeier gab noch zwei weitere zum Besten – gehörten dazu. Obwohl sie eigentlich nicht zu diesem feinfühligen Menschen passten. Genauso wenig wie sein Ziegenbart und sein Raubein-Image, das er ebenfalls kultivierte.
    Eschenbach beschrieb, wo und bei wem sie sich melden sollten. Er legte besonderen Wert darauf, dass das Päckchen danach direkt zu ihm ins Präsidium gebracht wurde. »Keine andere Hand dazwischen«, sagte er. Steffen Lohmeier lachte, als hätte er auch darin etwas Zweideutiges gefunden.
    Danach erledigte Eschenbach noch drei Anrufe. Er informierte den Vorgesetzten von Lohmeier über dessen Sondereinsatz, telefonierte mit dem technischen Labor und orderte zwei Techniker und einen Raum. Corina erreichte er nicht. Er sprach auf das Band, dass er nicht zum Abendessen käme und es ihm Leid täte.
    Als Eschenbach über die Sihlbrücke in Richtung Bahnhofstraße ging, fiel ihm ein, dass er vergessen hatte, Dr. Mallner anzurufen. Joachim Mallner war Polizeipsychologe, und er wollte ihm die beiden Gutachten über Philipp Bettlach zeigen. Er schaltete sein Handy ein und wartete, bis das lästige Piepsen, das ihm die eingegangenen Nachrichten anzeigte, aufhörte. Er wählte Rosa Mazzolenis Nummer, überquerte die Straße und fand vor dem Eingang eines Kinderkleiderladens Schatten. Es war Jagmetti, der sich meldete.
    »Aha, zurück aus den kühlen Katakomben? Und, wie war’s?«
    »Das ganze Wochenende war’s, Chef!« Jagmetti tönte müde. Eschenbach konnte ein Lachen nicht zurückhalten. »Habt ihr was gefunden?«
    »Sie kennen ja den Lenz!«, kam es zurück. »Wenn sich der mal in eine Sache reingebissen hat, dann …« Jagmetti suchte nach einem treffenden Satzende.
    »Dann hört er nicht mehr auf«, sagte Eschenbach. »Ich kann es mir vorstellen.«
    »War ziemlich intensiv. Fast achtundvierzig Stunden nonstop am Suchen. Sagen Sie, Chef, der Lenz, ich meine … Sie finden doch auch, der ist ziemlich speziell, der Typ!«
    Eschenbach lehnte sich an einen bunten Elefanten, der auf einem knallroten Sockel stand, und auf dem Kinder reiten konnten, wenn die Eltern Kleingeld einwarfen. »Ja, der Lenz, der ist wirklich speziell, da haben Sie nicht Unrecht, Jagmetti. Gehen Sie schlafen.« Eschenbachs Körper bebte unter einer weiteren Lachsalve, und der Elefant begann zu schaukeln, ohne dass jemand eine Münze eingeworfen hatte. »Ach, noch was, geben Sie mir doch bitte Frau Mazzoleni, bevor ich es vergesse.«
    »Die ist für einen Moment weg. Ich hüte das Telefon.« Es klang gequält.
    Eschenbach sah, wie ihm die Verkäuferin durch das Schaufenster einen bösen Blick zuwarf. Er riss sich zusammen, nahm das Handy in die andere Hand und löste sich vom wippenden Elefanten,

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