Im Sommer sterben (German Edition)
ätzend finde.«
Eschenbach versuchte einen strengen Blick und war glücklich, dass sie wieder zu dritt waren.
Er berichtete über die Ereignisse der letzten Tage, über seine Reise nach Bern und die neue Lavazza im Büro. Später hing Kathrin über eine Stunde mit einer Freundin am Telefon, bis sie endlich mit Rollerblades unter den Armen türmte.
Eschenbach fand, dass sie mit den schwarzen Kunststoffschalen, die sie über ihre nackten Knie und Ellbogen band, und mit den Handschuhen und Gelenkstutzen wie eine Gladiatorin aussah. Sie war hübsch, hatte Corinas lange Beine und ihren sinnlichen Mund. Die Hotpants aus vergammeltem Jeansstoff saßen auf Hüften, die mehr knabenhaft als fraulich waren, und man sah, dass sie die Farbe ihres Stringtangas auf das Schwarz ihrer Ausrüstung abgestimmt hatte.
Später, als Corinas verschwitzter Körper schwer atmend auf seinem lag, fragten sie sich, wie lange es wohl noch gehen würde. Hatte sie schon etwas mit einem Jungen? Corinas Lächeln verriet ihm, dass er von ihnen Dreien der Letzte wäre, der es erführe.
»Was meinst du, wenn ich wieder in einem Chor mitsingen würde«, fragte Corina beiläufig, als sie draußen auf der Terrasse waren. Sie lag auf einem alten Liegestuhl und streckte ihre Beine in die Abendsonne.
»In einem Chor?« Eschenbach blätterte im Wochenend-Magazin des Tagesanzeigers und hatte nur mit einem Ohr zugehört.
»Ja, in einem Chor.« Sie sagte es laut und deutlich. »Hörst du mir überhaupt zu?«
»Sicher doch.« Eschenbach legte das Magazin zur Seite und drehte sich zu Corina. »Singen also …« Er musste an Eveline Marchand denken und daran, wie unglücklich das Gespräch mit ihr am Schluss verlaufen war. »Du hast eine schöne Stimme … also warum nicht?«
»Meinst du?« Sie lächelte.
»An was für einen Chor hast du denn gedacht?«
»Ich weiß nicht«, murmelte sie, zog die Beine an und legte das Kinn auf ihre Knie. »Nichts Kirchliches jedenfalls.«
»Also keine Bach-Kantaten?« Eschenbach schmunzelte.
»Wieso, magst du sie?«
»Ich liebe Bach, das weißt du doch.«
»Schon … aber singen möchte ich lieber etwas anderes, mit mehr Swing. So wie an diesem Konzert vor Weihnachten.«
»Den Katzenchor meinst du? Bei dem nur Frauen singen?«
»Bo Katzmann heißt der Chor.« Corina musste lachen.
»Mit diesem gut aussehenden Chorleiter, ich verstehe …« Er hob die Augenbrauen und grinste.
»Du nimmst mich nicht ernst«, sagte sie und schmollte. »Bo Katzmann unterrichtet in Basel. Ich möchte mir hier in Zürich was suchen.«
»Dann bin ich aber erleichtert«, flachste er. »Der sah verdammt gut aus. Heißt er wirklich Bo?«
»Bo Katzmann heißt bürgerlich Reto Borer.« Eine Spur von Verlegenheit huschte über ihr Gesicht. »Und wenn du mich jetzt fragst, warum ich das weiß …«
»Ich bin ein Idiot«, murmelte Eschenbach, der bereits aufgestanden und durch die Verandatür ins Innere der Wohnung verschwunden war.
Eine halbe Stunde lang saß er an Kathrins PC und stöberte im Internet, dann hatte er, was er suchte: Pierre Oliver hieß in Wirklichkeit Peter Oliver Deck.
Zwei weitere Stunden brauchte er für den Rest. Im Büro lud er die Genesis -Datendiskette und fand Peter O. Deck wie vermutet auf der Liste. Dann rief er die Kripostelle in Basel an und ließ sich die Nummer von Dirk Meidinger geben. Er erreichte den Kollegen auf einer Grillparty und war froh zu hören, dass man in Basel die Sachlage bereits erfasst hatte.
»Wir haben bei Deck noch nichts Verdächtiges gefunden«, meinte Meidinger. »Aber sobald wir etwas haben, melden wir uns.«
Eschenbach bedankte sich und verließ kurz nach halb neun das Präsidium. Sein Magen knurrte, und als er zu Hause ankam, empfing ihn Corina in sommerlicher Abendgarderobe.
Nachdem sich auch Eschenbach frisch gemacht hatte, gingen sie essen. Zu viert. Kathrin nahm noch eine Freundin mit, was beiden recht war. »Es ist mir lieber, sie bringt ihre Freunde mit nach Hause, dann wissen wir wenigstens, was läuft«, war die Auffassung von Corina, und Eschenbach hatte sich damit abgefunden, dass sein Haus für Kathrins Freundeskreis offen stand. Obwohl er sich manchmal wünschte, dass es etwas ruhiger und geordneter zugehen könnte. Wenigstens in seinen eigenen vier Wänden.
Das Alvarez war ein kleines Restaurant am See, dessen Tische unter freiem Himmel standen und das für seine frisch zubereitete Paella bekannt war. Eschenbach aß wie ein Scheunendrescher, und Corina fragte
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