Im Spiegelbild der schwarzen Spinne (German Edition)
Ihnen besser geht. Wissen Sie, was Ihnen passiert ist?“
Ich nickte wohlwollend. „Ich bin wohl ohnmächtig geworden und auf die Fliesen geknallt.“
„Ganz recht. Wir haben Sie eingehend untersucht und keine schwerwiegenden Verletzungen festgestellt. Das ist die gute Nachricht.“
„Und die Schlechte?“
„Wir haben uns natürlich die Frage gestellt, warum Sie überhaupt ohnmächtig geworden sind. Diesbezüglich habe ich mich mit Ihrer Ärztin kurzgeschlossen. Sie unterrichtete mich über Ihre phobische Störung.“
Mit überschwänglichem Nicken bestätigte ich und stellte mich gleichzeitig dumm:
„Denken Sie, meine Ängste haben was mit der Ohnmacht zu tun?“
Der Doc schüttelte mit dem Kopf. „Das ist das Problem. Ich denke nicht, dass es sich um Angstzustände handelt.“
Ich blickte verwirrt auf. „Was ist es denn dann? Ich versichere Ihnen, lediglich Angst vor den Spiegeln zu haben. Es handelt sich um ein Kindheitstrauma.“
Er kratzte sich am Kinn und überlegte offensichtlich, wie er mir den Fall verständlich erklären konnte.
„Sie müssen ein paar Dinge verstehen. Ein schlechter Traum in unserer Kindheit führt noch lange nicht zu einem lebenslangen Trauma. Wäre es so, wären wir vermutlich alle traumatisiert. Zudem ist eine Eisoptrophobie, also die Angst vor Spiegeln, nicht direkt ein traumatisch erzeugter Zustand. Es handelt sich im Grunde um die Angst vor dem eigenen Spiegelbild. Eine Furcht vor Spiegeln, oder gar der Fähigkeit durch sie hindurch in eine andere Welt zu gelangen ist eher untypisch und weist auf eine andere Problematik hin. Hierzu möchte ich anfügen, dass sie keine typischen Symptome für eine akute Angststörung aufweisen. Allen Störungen dieser Art ist gemeinsam, dass die Betroffenen übermäßig starke Ängste vor Dingen haben, vor denen Menschen ohne Angststörung keine oder in weit geringerem Maße Angst empfinden. Dabei erkennen die betroffenen Personen zeitweise, dass ihre Furcht übermäßig oder unbegründet ist. Ihre Fantasien hingegen passen nicht in dieses typische Bild, verstehen Sie?“
Ich schluckte zum dritten Mal an diesem Tag laut und schwe rfällig einen dicken Kloß hinunter.
„Was habe ich denn jetzt?“
„Das ist nicht leicht zu erklären. Sehen Sie ein, dass Ihre Vorstellung eines Spiegels nicht der Wahrheit entsprechen kann?“
Ich nickte ein wenig zurückhaltend und der Arzt legte seine Hand auf meine.
„Seien Sie bitte ehrlich zu mir.“
„Nun, um ehrlich zu sein, ich bin mir nicht sicher. Es fällt mir schwer, zu erkennen, was real ist und was nicht.“
Der Doktor nickte freundlich. „Sie leiden an manifesten, chronischen Halluzinationen, eine Einschränkung des normalen Erlebens. Es beginnt meist schleichend. Ihre Ärztin sagte mir, dass Ihnen so etwas noch nie passiert ist. Bisher zeigte sich lediglich eine Schlafstörung, nicht wahr?“
Ich schüttelte mit dem Kopf. „Eigentlich schlafe ich sehr gut. Vielmehr sind es meine Träume.“
„Ah ja. Nun, heute war es kein Traum, oder?“
„Stimm t“, bestätigte ich, „heute war ich nicht einmal im Bett. Ich bin durch diesen Spiegel gegangen und war auf der anderen Seite.“
„Sie glauben fest daran, dass Sie dort waren?“ , fragte er.
„Es war so real, wie ich jetzt hier in diesem Bett sitze.“
„Ich verstehe. Die Symptome weisen eindeutig auf eine endogene oder affektive Psychose hin.“
Erneut musste ich laut schlucken. „Was kann ich dagegen tun?“
„Im Grunde gilt so etwas als unheilbar, aber wir können die Symptome medikamentös eindämmen. Ich werde mit ihrer Ärztin absprechen, welche Dosierung wir zunächst einsetzen.“
Ich setzte mich auf. „Sie meinen, es gibt eine Pille dagegen?“, fragte ich laut.
„J a, Antipsychotika. Sie werden Ihnen ein weitgehend beschwerdefreies Leben gewährleisten.“
„Wie lange muss ich diese Tabletten einnehmen?“
„Es handelt sich um eine Langzeittherapie.“
„Sie meinen, ich muss die Pillen lebenslang nehmen?“
„Das ist lange nicht so schlimm, wie es auf den ersten Moment klingt, glauben Sie mir“, beruhigte er mich.
Das musste ich erst einmal verarbeiten, also legte ich mich wieder auf den Rücken und schluckte laut, zum wiederholten Mal. Der Arzt klopfte mir auf die Schulter und erhob sich.
„Machen Sie sich keine Sorgen. Wir reden morgen weiter. Sie sollten jetzt ein wenig schlafen.“
Dann ließ er mich in meinem Schock allein. Eine Weile döste ich vor mich hin, benebelt von einer
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