Im Stein
anfangs ganz schön zu kämpfen in der Stadt im Osten. »Wie wär’s mit einem Cognac?«, hat ihn allen Ernstes ab und zu, und ziemlich oft sogar, jemand gefragt und dann diese Granate auf den Tisch gestellt. Aber mittlerweile schmeckt’s ihm ganz gut. Ist zumindest nicht zu scharf. Zweiunddreißig Umdrehungen. Gut zum Nachdenken. Auch über die Fledermäuse. Er hockt im Licht des Kühlschranks, schraubt die beiden 4-cl-Fläschchen auf und gießt den Schnaps in ein Glas. Schließt den Kühlschrank, geht zum Bett.
Er raucht, der Aschenbecher steht auf seiner Brust und bewegt sich, wenn er tief einatmet oder den Rauch ausstößt. Schimanski hat die ganze Zeit die Schnauze gehalten, während sie gegessen haben, Tomatensoße im Schnurrbart. Der Oberst hat Pizza bestellt, ohne ihn zu fragen. Drei verschiedene Pizzen. Meeresfrüchte. Quattro Formaggi. Salami. Eine Flasche Chianti, eine Flasche San Pellegrino. Und ein Glas Cola für sich. Schimanski nimmt ein Glas Fanta.
Er isst ganz gerne Pizza, aber hätte lieber eine Pasta genommen, obwohl er sich nicht sicher ist, ob die die in diesem Laden gut hinkriegen. In seiner Dependance im Osten gibt es jetzt ein, zwei ganz gute Italiener. Bei dem einen sollen die Paten mit drinstecken, aber das erzählt man sich über jede Ittaker-Bude. Geldwäsche. Aber deswegen macht man kein Restaurant auf am anderen Ende der Welt. Und weil die Paten scharf auf ostdeutsche Immobilien sind. Wären sie schön baden gegangen im ostdeutschen Meer, als der gewaltige Furz seine Wellen schlug. Die sitzen faul und bequem in München und im Ruhrpott, das weiß er. Und vielleicht in Berlin. Wo Geld zu machen und zu waschen ist, investieren die Pizzas gerne. Quattro Formaggi. Aber das tangiert seine Geschäfte nicht.
»Und wie sagt man’s richtig?« Der Oberst macht die Gläser voll und ordert noch eine Flasche. Der Graf weiß genau, was das Zeug im Einkauf kostet. Das ist so billig, das es nichtmal jeder Großmarkt führt.
»Pizze. Versteht ihr! Pizze! Due Pizze, por favor! Und nicht izzen oder izzas! Pizze!« Er macht mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis in der Luft.
Halt die Luft an, denkt der Graf, halt die Luft an und friss deinen Scheiß. Aber Hunger hat er auch, bleibt aber bei den vier Käsen, die Salami sieht aus wie Dauerwurst, und auch mit den Meeresfrüchten will er sich nicht näher beschäftigen. Aber er ist Gast, und die Formaggi ganz in Ordnung. Die beiden fressen wie die Schweine. Nichtmal Antipasti stehen auf dem Tisch, nur ein Korb mit Brot.
»Wir hatten mal einen von den Roten Brigaden hier, Ende der Siebziger. Wir haben ja nicht nur die von der RAF rübergeholt. Mein Gott, hat gelitten, der arme Mann. Weil weit und breit kein Italiener in der Zone. Nichts! Nulle Pizze!« Er lacht, und Schimanski lacht mit, und in seinem Lachen zerreißt ein langer Faden Käse, der zwischen seinen Zähnen und dem Stück Pizza hängt, das er vorm Gesicht hält. Seine Jacke hat er auf den Stuhl neben sich gelegt, in einer der Brusttaschen steckt ein Mobiltelefon, eins von diesen riesigen Dingern mit langer Antenne, die wie ein Funkgerät aussehen, das ist ihm vorhin gar nicht aufgefallen, dabei hat er die beiden genau gemustert, auf seinem Weg durch die Bahnhofshalle.
Er legt seine Brille auf den Nachttisch, neben den Aschenbecher, die Zigarette hat er ausgedrückt. Vor zwei Monaten war er das letzte Mal in Osnabrück bei seiner Frau, in dem Haus. Da war noch Sommer. Sie macht viel ehrenamtlich mit Kindern. Halbtags noch an der Schule. Sie wird hager und kriegt graue Haare. Er wundert sich, dass sie bei ihm bleibt.
Er nimmt den Weltempfänger. Den hat er immer dabei, wenn er reist. Wenn er allein im Hotel liegt, will er nicht Fernsehen. Er dreht durch das Pfeifen und Rauschen und die Worte und die Musik, bis er den Westdeutschen Rundfunk findet. Viel Polnisches und Russisches dazwischen. Zumindest klingt es für ihn wie Polnisch und Russisch.
»Mensch, Harald, das ist ja harter Tobak!«
Domian, das klingt nach dem schwulen Domian, den erkennt man immer sofort. Wen hat er da an der Strippe? Er will einen anderen Sender suchen, aber der WDR erinnert ihn an seine Jugend, seinen Bruder, die LKW-Spedition, den Bergmannsfriedhof, auf dem der Vater liegt.
»Das war eine Schmusesendung«, sagt Domian. Wie heißt dieser Typ richtig? Ist das sein Nachname oder ein Künstlername wie Domenica , die Hure der Huren?, die er einmal in Hamburg getroffen hat. Er hat sich nie für dieses Psychotelefon
Weitere Kostenlose Bücher